Das Volksbegehren für mehr Nachtruhe am BER

In der fast 25-jährigen Geschichte des Landes Brandenburg hat es bislang neun Volksbegehren nach dem Volksabstimmungsgesetz gegeben. Lediglich einmal gelang es den Initiatoren, die gesetzlich vorgeschriebene Stimmenzahl von 80.000 gültigen Unterschriften zu überschreiten - beim erfolgreichen Volksbegehren für mehr Nachtruhe am künftigen Flughafen Berlin Brandenburg (BER), das in der zweiten Jahreshälfte 2012 mehr als 106.000 Bürgerinnen und Bürger mit einer gültigen Eintragung unterstützten. Die seither in diesem Zusammenhang gefassten Beschlüsse des Brandenburger Landtages, die landesplanerische Stellungnahme der Landesregierung und ihre Argumente für die Annahme des Begehrens sowie der Zwischenbericht des Flughafenkoordinators zum Verhandlungsstand Ende 2013 sind im Folgenden chronologisch dokumentiert.

 

Was genau fordert das Volksbegehren?

Das Volksbegehren „Für eine Änderung des § 19 Abs. 11 des Landesentwicklungsprogrammes zur Durchsetzung eines landesplanerischen Nachtflugverbotes am Flughafen Berlin Brandenburg International (BER)!“ fordert die Landesregierung auf, in Verhandlungen mit dem Land Berlin einzutreten, um den Staatsvertrag vom 7. August 1997 über das gemeinsame Landesentwicklungsprogramm und über die staatsvertragliche Änderung des Landesplanungsvertrages vom 5. Mai 2003, in den folgenden zwei Punkten zu ändern. Zitat:

  1. „Der im Gesamtraum Berlin-Brandenburg bestehende Bedarf an Luftverkehrskapazitäten soll derart gedeckt werden, dass am Flughafen Berlin Brandenburg International (BER) Tagflug, aber kein planmäßiger Nachtflug stattfindet, um Lärmbetroffenheiten zu reduzieren.“
  2. „Dabei soll der nationale und internationale Luftverkehrsanschluss für Berlin und Brandenburg nicht allein auf den Ballungsraum Berlin konzentriert werden.“

Diese Punkte, so forderten es die Initiatoren, sollen die Sätze 1 und 2 des § 19 Abs. 11 des für Berlin und Brandenburg geltenden Landesentwicklungsprogrammes entsetzen. Darüber hinaus seien die bisherigen Sätze 3 und 4 des § 19 Abs. 11 LePro gestrichen werden.

Von ihrer zweiten Forderung, nämlich den Luftverkehrsanschluss der gemeinsamen Metropolregion nicht allein auf den Ballungsraum Berlin zu konzentrieren, rückten die Initiatoren im Zuge der späteren Annahme des Volksbegehrens durch den Landtag ab. Somit bleiben folgende Kernaussagen aus dem Initiativtext verstehen:

  1. Brandenburg soll in Verhandlungen mit dem Land Berlin eintreten.
  2. Es soll kein planmäßiger Nachtflug stattfinden (verspätete oder verfrühte Flüge könnten innerhalb eines gewissen Zeitraums dennoch landen)
  3. Zu diesem Zwecke soll das für Berlin und Brandenburg geltende Landesentwicklungsprogramm geändert werden.
 

Chronologie des Volksbegehren

  • 22. Februar 2013 - Der Erfolg des Volksbegehrens wird im Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Brandenburg amtlich festgestellt. Mit 106.391 gültigen Eintragungen ist die im Volksabstimmungsgesetz festgesetzte Mindestzahl von 80.000 Stimmen deutlich überschritten.
    Initiativtext des Volksbegehrens im Wortlaut (PDF)

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  • 22. Februar 2013 - In ihrer Stellungnahme zum Volksbegehren bekräftigt die Landesregierung ihre Auffassung, dass die Gemeinsame Landesplanung Berlin-Brandenburg bezogen auf den Lärmschutz in der Nacht zwar Grundsätze der Raumordnung aufstellen kann, die der besonderen Schutzbedürftigkeit der Bevölkerung ein hohes Gewicht beimessen. Ein Nachtflugverbot mit verbindlicher Wirkung gegenüber der Luftverkehrsbehörde könne als Ziel der Raumordnung jedoch nicht festlegt werden. Einer zumal rückwirkend geforderten Veränderung der höchstrichterlich bestätigten Abwägung „zwischen der verkehrlichen und wirtschaftlichen Bedeutung des Ausbaus des Flughafens Berlin-Schönefeld und den entgegenstehenden Belangen der lärmbetroffenen Anwohnerinnen und Anwohner“ misst die Landesregierung in ihrer fachlichen Einschätzung keine Aussicht auf Erfolg bei. Die komplette Stellungnahme ist hier nachzulesen.
    Landtagsdrucksache 5/6896 – Stellungnahme der Landesregierung (PDF)
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  • 27. Februar 2013 - Nach einer Anhörung der am Verfahren beteiligten Bürgerinitiativen im Landtagsausschuss für Infrastruktur und Landwirtschaft am 21. Februar nimmt der Brandenburger Landtag das Volksbegehren „Für eine Änderung des §19 Abs. 11 des Landesentwicklungsprogrammes zur Durchsetzung eines landesplanerischen Nachtflugverbotes am Flughafen Berlin Brandenburg International (BER)“ mit großer Mehrheit an. Eingedenk der Einschätzung der Landesregierung, die mit dem Volksbegehren geforderten Änderungen des Landesplanungsstaatsvertrages hätten keine rechtlichen Auswirkungen auf den bestandskräftigen Planfeststellungsbeschluss, folgt das Parlament in derselben Sitzung auf Vorschlag des Infrastrukturausschusses einem Entschließungsantrag. Dieser ist als Erläuterung der Position des Parlaments in Bezug auf den Ausgangsbeschluss zu verstehen.
    Landtagsdrucksache 5/6894-B – Annahme des Volksbegehren (PDF)
    Landtagsdrucksache 5/6916-B – Entschließung zum Volksbegehren (PDF)

    In dieser Entschließung bekennt sich der Landtag zunächst zur Notwendigkeit eines modernen, konkurrenzfähigen und leistungsstarken Flughafens, von dem das gesamte Land Brandenburg profitieren werde. Ein solcher Flughafen müsse in seinen rechtlichen Rahmenbedingungen abgesichert bleiben – auch in dem Wissen um einen nicht vollständig lösbaren Zielkonflikt zwischen dem regionalen Nutzen auf der einen und seinen Belastungen für die Menschen im direkten Umfeld auf der anderen Seite.

    Von der Landesregierung erwartet das Parlament, dass die Verhandlungen mit Berlin zügig aufgenommen werden. Die Einschätzung der Regierung, dass mit einer Änderung des Landesplanungsstaatsvertrages kein Erfolg im Sinne von weiteren Verbesserungen für die Nachtruhe der Anwohnerinnen und Anwohner zu erreichen sein wird, nimmt der Landtag zum Anlass, weitergehende Aktivitäten von der Regierung einzufordern. Diese wird aufgefordert, sich beim Land Berlin und dem Bund als Mitgesellschafter der Flughafengesellschaft dafür einzusetzen, dass die Betriebszeiten für planmäßige Flüge verkürzt werden, auch wenn durch die höchstrichterliche Entscheidung zum Planergänzungsbeschluss aus dem Jahre 2009 einer Änderung enge Grenzen gesetzt sind. Eine Einigung der drei Gesellschafter wird als der einzige Weg gesehen, die Bestandskraft des Planfeststellungsbeschlusses zu überwinden und über einen Antrag der Flughafengesellschaft selbst zu mehr Nachtruhe zu gelangen.

    In ihrem Bemühen, sich bundes- und europaweit für ein einheitliches Nachtflugverbot einzusetzen, wird die Landesregierung durch den Entschließungsantrag des Landtages unterstützt. Nur so könnten erhebliche wirtschaftliche Nachteile einer nur für den BER geltenden Nachtflugbeschränkung vermieden werden. Darüber fordert der Landtag, den Überlegungen der Schönefelder Fluglärmkommission zu aktiven Lärmschutzmaßnahmen verstärkt nachzugehen. Das alternierende Bahnenmanagement, verbesserte Sinkflugregelungen, verkürzte Endanflugkorridore oder ein Flugrouten-Switching nach dem Münchener Vorbild seien hier nur als einige Möglichkeiten genannt.
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  • 5. Juni 2013 - In einem weiteren Beschluss bekräftigt der Landtag mit Verweis auf die Annahme des Volksbegehrens und des Begleitbeschlusses seine Forderung an die Landesregierung, „alles zu tun, um für mehr Nachtruhe im Umfeld des BER zu sorgen“. Die Regierung, welche zu diesem Zeitpunkt insbesondere in Person des Ministerpräsidenten und des Flughafenkoordinators bereits die Verhandlungen mit den Mitgesellschaftern aufnommen hat, soll bis zum vierten Quartal 2013 einen umfassenden Bericht über konkrete Ergebnisse vorlegen. Der Beschluss steht hier im Wortlaut zum Download bereit.
    Landtagsdrucksache 5/7376 – Beschluss Akzeptanz für den Flughafen Willy Brandt (PDF)
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  • 30. Dezember 2013 - Nach zehn Monaten Verhandlungszeit mit dem Land Berlin und der Bundesregierung, aber auch zahlreichen Gesprächen mit der Flughafengesellschaft, den Airlines, der Deutschen Flugsicherung, Bürgerinitiativen und Kommunalpolitikern legt die Landesregierung einen Zwischenbericht zum Verhandlungsstand in Sachen Volksbegehren vor.
    Zwischenbericht des Flughafenkoordinators zum Volksbegehren (PDF)
    Flughafenkoordinator: Spürbar mehr Nachtruhe durch kluges Bahnmanagement am BER möglich

    Abgeschlossen sollen die Verhandlungen zum Volksbegehren noch in diesem Frühjahr werden. Mit der Kernforderung des Initiativtextes, über eine Änderung des Landesentwicklungsprogramms zu einem Nachtflugverbot zu kommen, wird sich eine Gemeinsame Planungskonferenz der Länder Berlin und Brandenburg auseinandersetzen. In zeitlicher Nähe soll auf einen Antrag Brandenburgs in der Gesellschafterversammlung der Flughafengesellschaft über eine Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr abgestimmt werden.
    Brandenburg beantragt Abstimmung zum Nachtflugverbot in der FBB-Gesellschafterversammlung
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  • 2. April  2014 - In einer Regierungserklärung vor dem Brandenburger Landtag bezeichnet Ministerpräsident Dietmar Woidke eine einvernehmliche Lösung mit dem Bund und Berlin zur Ausweitung des Nachtflugverbots auf 22 bis 6 Uhr als nicht erreichbar. So hätten die beiden Mitgesellschafter auch kurz vor Abschluss der Verhandlungen unmissverständlich wissen lassen, dass sie einer Änderung des Planfeststellungsbeschlusses nicht zustimmen werden. Das veranlasst den Brandenburger Regierungschef, einen Kompromissvorschlag zu unterbreiten und in der Gesellschafterversammlung am 7. April 2014 zur Abstimmung zu bringen. Danach soll die Flughafengesellschaft zunächst für die Zeit eines fünfjährigen Modellversuchs zwischen 5 und 6 Uhr am Morgen freiwillig auf den Gebrauch ihrer Betriebsgenehmigung verzichten und somit dem Ruhebedürfnis der Menschen in direkter BER-Nachbarschaft entgegen kommen. Mit dem Kompromiss geht Brandenburg auf die Hauptargumente der Mitgesellschafter ein. Zum einen müsste für den Modellversuch die Betriebsgenehmigung nicht angetastet werden. Und zweitens würde angesichts der wenigen geplanten Flüge in den Morgenstunden auch die Wirtschaftlichkeit des Flughafens nicht gefährdet.
    Die Regierungserklärung des Ministerpräsidenten im Wortlaut können Sie demnächst auf dieser Seite lesen.
    Onlinemeldung zum Modellversuch mit Kurzfassung zum Download
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  • 7. April 2014 - Die Gesellschafterversammlung der Flughafen Berlin Brandenburg GmbH vertagt sich zu dem Brandenburger Antrag für eine Ausweitung des Nachtflugverbots für planmäßige Flüge von 22 bis 6 Uhr. Eine Entscheidung soll nach Auffassung Berlins und der Bundesregierung erst fallen, wenn sich der Aufsichtsrat in seiner Sitzung am 11. April 2014 zu dem Vorschlag verständigt hat. In der Sitzung des Kontrollgremiums wird auch die Geschäftsführung der Flughafengesellschaft Stellung zu der Brandenburger Forderung nehmen.

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  • 11. April 2014 - Auf Antrag der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft spricht sich das Kontrollgremium gegen eine Abstimmung über die von Brandenburg geforderte Ausweitung des Nachtflugverbotes für planmäßige Flüge auf 22 bis 6 Uhr aus. Auch ein Antrag zu dem von Ministerpräsident Dietmar Woidke vorgeschlagenen Modellversuch eines freiwilligen Verzichts der FBB auf Starts und Landungen zwischen 5 und 6 Uhr wird mehrheitlich zurück in die Gesellschafterversammlung verwiesen. Dort sei über solcherlei „politische Themen“ abzustimmen, wird argumentiert. Brandenburgs Regierungschef übt daraufhin deutliche Kritik an dem Vorgehen des Aufsichtsrates, der sich jeglicher inhaltlicher Prüfung zu den Brandenburger Vorschlägen entzogen habe.
    Pressemitteilung Staatskanzlei vom 12.04.2014
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  • 7. Mai 2014 - In der gemeinsamen Landesplanungskonferenz kommen die Vertreter der Länder Brandenburg und Berlin zu dem einvernehmlichen Ergebnis, dass die durch das Volksbegehren verlangte Verankerung eines weitergehenden landesplanerischen Nachtflugverbots angesichts des gültigen und ausgeurteilten Planfeststellungsbeschlusses für den BER unzulässig ist. Diese Auffassung stützt sich unter anderem auf ein Gutachten der Berliner Rechtsanwaltskanzlei Geulen & Klinger, das feststellt: Auswirkungen auf den bestandskräftigen Planfeststellungsbeschluss BER wären mit der nachträglichen Änderung der landesplanerischen Regelungen nicht verbunden. Zu einem gleichen Ergebnis war bereits die Rechtsanwaltskanzlei Geulen & Klinger gekommen.
    Rechtsgutachterliche Stellungnahme zum Volksbegehren zur Änderung des § 19 Abs. 11 LEPro, Kanzlei Geulen & Klinger (PDF)
    Informationspapier zur Gemeinsamen Landesplanungskonferenz Berlin-Brandenburg (PDF)
    Stellungnahme zur Ausweitung des BER-Nachtflugverbots durch einen neuen Grundsatz der Raumordnung, Kanzlei Dolde, Mayen und Partner (PDF)

    Nachdem Berlin und Brandenburg in der Gemeinsamen Planungskonferenz noch einhellig zu einem Ergebnis gekommen waren, endete die anschließende Gesellschafterversammlung mit einer großen Enttäuschung für die Brandenburger. Weder der Antrag auf eine Ausweitung des Nachtflugverbotes auf 22 bis 6 Uhr, noch der Kompromissvorschlag von Ministerpräsident Woidke für einen Modellversuch zum freiwilligen Flugverzicht der FBB zwischen 5 und 6 Uhr morgens stießen auf Zustimmung der beiden Mitgesellschafter Bund und Berlin. Allerdings bestand Einigkeit zu den lärmmindernden Maßnahmen im Betriebsregime der Flughafengesellschaft, die die Brandenburger Seite zur Diskussion gestellt hatte.
    Pressemitteilung Staatskanzlei vom 7.5.2014
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  • 25. Juni 2014 - In Verbindung mit dem Tätigkeitsbericht des Sonderausschusses BER stellt die Landesregierung in der 97. Sitzung des Brandenburger Landtages am 27. Juni 2014 den Abschlussbericht zum Volksbegehren vor.
    Dieser fasst die Verhandlungsergebnisse infolge der Landtagsbeschlüsse vom 27. Februar 2013 (Forderung nach einem landesplanerischen Nachtflugverbot/weitere Beschränkung der Betriebszeiten in der Nacht) sowie vom 5. Juni 2013 (Akzeptanz durch Nachtruhekompromiss) zusammen und beinhaltet die folgenden Anlagen:
    Anlage 1: Mehr Nachtruhe am BER / Modellversuch: Kein Betrieb am Morgen von 5 bis 6 Uhr vom 31. März 2014
    Anlage 2: Antrag auf Einberufung einer Gesellschafterversammlung vom 28. Februar 2014
    Anlage 3: Antrag an die Tagesordnung des FBB-Aufsichtsrates vom 8. April 2014
    Anlage 4: Antrag an die Tagesordnung der Gesellschafterversammlung u.a. zur Behandlung und Entscheidung zum Brandenburger Modellversuch vom 5. Mai 2014
    Anlage 5: Rechtsgutachterliche Stellungnahme der Anwaltskanzlei Geulen & Klinger (Berlin) zum Volksbegehren zur Änderung des § 19 Abs. 11 LEPro vom 19. Februar 2014
    Anlage 6: Ergebnisprotokoll der gemeinsamen Landesplanungskonferenz der Länder Brandenburg und Berlin am 7. Mai 2014
    Anlage 7: Informationspapier zur gemeinsamen Landesplanungskonferenz am 7. Mai 2014
    Abschlussbericht zum Volksbegehren mit Anlagen - Landtagsdrucksache 5/9227(PDF)
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  • 27. Juni 2014 - In seiner Rede vor dem Brandenburger Landtag nimmt Ministerpräsident Dietmar Woidke noch einmal zu den Verhandlungen im Rahmen des Volksbegehrens für mehr Nachtruhe Stellung und dankt den Mitgliedern des BER-Sonderausschusses für ihre Arbeit in den zurückliegenden anderthalb Jahren. Die Vorsitzende des im Januar 2013 einberufenen Gremiums hatte zuvor den Tätigkeitsbericht des Sonderausschuss BER vor- und zur parlamentarischen Diskussion gestellt.
    Link zur Rede des Ministerpräsidenten vor dem Brandenburger Landtag
    Link zum Tätigkeitsbericht Sonderausschuss BRR