Staatskanzlei

25 Jahre Arbeitsmarktpolitik im Land Brandenburg

Von der Massenarbeitslosigkeit zur Fachkräftesuche – Woidke: Jeder Mensch verdient eine Chance auf Arbeit

veröffentlicht am 24.08.2015

„Arbeit statt Arbeitslosigkeit finanzieren“ – dieser politische Leitgedanke prägt die Arbeitsmarktpolitik im Land Brandenburg seit der Wende bis heute. Von der Massenarbeitslosigkeit in den 1990er und Anfang der 2000er Jahre bis zur heutigen Fachkräftesuche – 25 Jahre nach der Wiederbegründung des Landes zogen Ministerpräsident Dietmar Woidke, Arbeitsministerin Diana Golze und Wirtschaftsminister Albrecht Gerber gemeinsam mit dem ersten Ministerpräsidenten Manfred Stolpe und Friedrich Buttler, ehemaliger Direktor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung und Staatssekretär a.D., heute in Potsdam eine Bilanz zur Brandenburger Arbeitsmarktpolitik und diskutierten künftige Herausforderungen. Die Brandenburger Arbeitsmarktpolitik ist nach Überzeugung von Ministerpräsident Dietmar Woidke eine Erfolgsgeschichte. „Sie ist untrennbar mit unserer ersten Sozialministerin Regine Hildebrandt verbunden. Ihr zupackendes Arbeiten und ihre tiefe Menschlichkeit prägten das Ressort, prägen die Brandenburger Landesregierung bis heute. Jeder Mensch verdient eine Chance auf Arbeit. Wir können heute auf eine äußerst positive Entwicklung auf unserem Arbeitsmarkt zurückblicken. Trotz der dramatischen Ausgangslage und immenser Schwierigkeiten ist es mit einer eng verzahnten Wirtschafts-, Arbeits- und Strukturpolitik gelungen, industrielle Kerne wie in Eisenhüttenstadt, Ludwigsfelde und Schwarzheide zu sichern und erfolgreich neue Investitionen und Neuansiedlungen zu erreichen. Wer uns vor 15 Jahren gesagt hätte, dass Brandenburger Unternehmen zum Teil heute händeringend nach Fachkräften suchen, wäre als Phantast verspottet worden. Heute hingegen scheint es real, von einem Bundesland zu sprechen, in dem als nächstes Zwischenziel weniger als 100 Tausend Menschen ohne Arbeit sind.“ Ministerpräsident a. D. Manfred Stolpe betonte: „Regine Hildebrandt wurde in Brandenburg schnell die treibende Kraft einer aktiven Arbeitsmarktpolitik. Mit ihrer leidenschaftlichen Art gab sie den Menschen in einer äußerst schwierigen, oft von Resignation geprägten Zeit wieder neue Hoffnung. Sie setzte sich entschieden dafür ein, den Menschen in irgendeiner Form Arbeit zu geben als einfach nur Sozialhilfe auszuzahlen. Sie gab die Menschen, die Hilfe brauchten, niemals auf.“ Arbeitsministerin Diana Golze hob hervor: „25 Jahre nach der Wiedervereinigung steht der Arbeitsmarkt vor dem Umbruch. Die Zeit der Massenarbeitslosigkeit ist überstanden. In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Zahl der Arbeitslosen in Brandenburg halbiert. Die 8 vor dem Komma bei der Arbeitslosenquote ist ein großartiger Erfolg für alle Arbeitsmarktakteure. Jetzt fällt es den Unternehmen immer schwerer, freie Stellen zu besetzen. Auf dem Ausbildungsmarkt hat sich das Verhältnis von Ausbildungsstellenangebot zu der Ausbildungsnachfrage komplett gewandelt. Die Chancen junger Menschen, eine Lehrstelle in ihrem Wunschberuf in ihrer Heimat zu finden, waren noch nie so gut. Trotz dieser guten Entwicklung gibt es aber auch Schattenseiten. Wir haben beim seit 2005 einsetzenden Beschäftigungsaufbau zu viel atypische Beschäftigung wie befristete Jobs, Teilzeit- und Leiharbeit. Und Brandenburg hat im Vergleich zu anderen Ländern einen sehr hohen Anteil von Langzeitarbeitslosen. Über 44 Prozent aller Arbeitslosen sind länger als ein Jahr ohne Arbeit und gehören damit zu dieser Gruppe. Das sind eindeutig zu viele. Vor allem älteren Arbeitslosen über 50 gelingt es nicht in ausreichendem Maße, schnell wieder eine neue Arbeit zu finden. Diese Menschen werden wir auf keinen Fall abschreiben. Jeder muss passgenaue Unterstützung erhalten. Die Reduzierung der Langzeitarbeitslosigkeit ist neben der Stärkung der betrieblichen Ausbildung und der Fachkräftesicherung ein Schwerpunkt der Arbeitsmarktpolitik der Landesregierung.“ Wirtschaftsminister Albrecht Gerber sagte: „Der Aufbau wettbewerbsfähiger Strukturen nach dem Zusammenbruch der Planwirtschaft war mühsam. Aber mittlerweile können wir mit Stolz sagen: Er war ein Erfolg. Die Brandenburger Wirtschaft ist in den vergangenen zehn Jahren kontinuierlich gewachsen. Bei der Arbeitsproduktivität haben wir rund 80 Prozent des gesamtdeutschen Niveaus erreicht und damit den besten Wert unter den ostdeutschen Flächenländern. Mit einer Selbstständigen-Quote von zwölf Prozent liegt Brandenburg über dem Bundesdurchschnitt von 10,3 Prozent. Durch politischen Einsatz und umfassende Investitionen gelang es, gewachsene Industriestandorte wie die Erdölraffinerie in Schwedt, die chemische Industrie in Schwarzheide oder die Stahlproduktion in Eisenhüttenstadt zu stabilisieren. Internationale Unternehmen wie Rolls-Royce, Vestas oder eBay siedelten sich neu an. Die Werkshallen landauf und landab – im berlinnahen Ludwigsfelde ebenso wie im südbrandenburgischen Finsterwalde - bieten heute tausenden Brandenburgerinnen und Brandenburgern gute Arbeit und haben regional eine wichtige Ankerfunktion. 2014 hatten wir in Brandenburg fast 1.200 Industriebetriebe mit 100.000 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von 25 Milliarden Euro. Das ist eine Erfolgsgeschichte, die ohne unterstützende Arbeitsmarktpolitik nicht möglich gewesen wäre.“ Friedrich Buttler, von 1988 bis 1994 Direktor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg und von 1994 bis 2000 Staatssekretär im Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg, betonte: „Dass sich Brandenburgs Arbeitslosenquote heute nah an der 8-Prozent-Marke befindet, ist ein insgesamt gutes Ergebnis der Arbeitsmarktpolitik. Im Vergleich zum Westen ist die Arbeitslosigkeit in Ostdeutschland aber immer noch sehr hoch. Bayern und Baden-Württemberg stehen heute kurz vor der Vollbeschäftigung. Das muss grundsätzlich Ziel jeder Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik sein. Brandenburg ist auf einem guten Weg, in den kommenden fünf Jahren eine mehr oder weniger große Kommastelle nach der 7 erreichen zu können. Eine 5 vor dem Komma halte ich langfristig für eine ermutigende Zielmarke.“ Zahlen und Fakten – Zwischen fast 21 und gut 8 Prozent Der Übergang von der Planwirtschaft in marktwirtschaftliche Verhältnisse geschah mit einer beispiellosen Intensität und Geschwindigkeit. Die Menschen in den ostdeutschen Ländern mussten sich schlagartig auf vollkommen neue Lebensverhältnisse einstellen. War Arbeitslosigkeit in der DDR de facto kein Problem, stellte sie nach der Wende für viele Menschen einen gewaltigen biografischen Einschnitt dar. Gerade weil Arbeit in der DDR zum Leben gehörte, war der Absturz für viele umso gravierender. Mit der Schließung und Abwicklung von DDR-Betrieben nahm die Zahl der Arbeitslosen bereits im Jahr 1990 dramatisch zu: Im Jahresdurchschnitt 1991 gab es in Brandenburg schon 141.172 Arbeitslose, 1992 waren es bereits rund 40.000 mehr. Besonders Frauen waren durch die Strukturumbrüche von Arbeitslosigkeit betroffen. Bis Mitte der 1990er Jahre war die Arbeitslosenquote von Frauen doppelt so hoch wie die der Männer (18 zu 9 Prozent). Erst um die Jahrtausendwende gelang Frauen der Sprung auf den ersten Arbeitsmarkt besser: bis 2003 glichen sich die Arbeitslosenquoten von Frauen und Männern an. Heute stehen Frauen sogar besser da: ihre aktuelle Quote liegt bei 8,1, die der Männer bei 8,6 Prozent. Allerdings ist die stärkere Zunahme sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung von Frauen in den vergangenen zehn Jahren vor allem mit einem deutlichen Anstieg der Teilzeitbeschäftigung verbunden: 79 Prozent aller Teilzeitbeschäftigten sind Frauen, rund 40 Prozent von ihnen würden gerne länger arbeiten, finden aber keine entsprechenden Arbeitsplätze. In Verbindung mit dem Auslaufen von bundesgesetzlichen Arbeitsmarkt-Sonderregelungen und infolge der weiter rückläufigen Beschäftigung nahm die Zahl der Arbeitslosen bis zum Jahr 2003 auf über eine Viertelmillion im Jahresdurchschnitt zu. Die märkische Arbeitslosenquote hatte mit 18,8 Prozent ihren historischen Höchststand erreicht. Die höchste Arbeitslosenquote in einem Berichtsmonat gab es in Brandenburg im Februar 1998 mit 20,9 Prozent (258.476 Arbeitslose). Im Januar und Februar 2005 lag sie noch einmal jeweils bei 20,8 Prozent (jeweils rund 278.200 Arbeitslose). Die niedrigste Quote im Jahresdurchschnitt hatte Brandenburg im Vorjahr mit 9,4 Prozent (124.628 Arbeitslose). Im Oktober 2010 sank die Arbeitslosenquote erstmals seit 1991 unter die 10-Prozentmarke auf 9,8 - eine Zäsur! – Aber noch waren 131.283 Menschen arbeitslos. Bis 1995 war es noch ein erklärtes Ziel des damaligen Ministerpräsidenten Manfred Stolpe, die Arbeitslosenquote bis zum Jahr 1999, bis zum Ende der zweiten Legislaturperiode, unter zehn Prozent zu senken. Die dramatische wirtschaftliche Entwicklung, die Zerschlagung großer Industriestandorte und der Abbau tausender Arbeitsplätze machten dieses Ziel zunächst aber unerreichbar. Die 9-Prozentmarkte wurde zum ersten Mal im September vergangenen Jahres geknackt, 115.422 Brandenburgerinnen und Brandenburger suchten vor einem Jahr eine Arbeit. Aktuell sind in Brandenburg 110.579 Menschen ohne Arbeit, die jüngste Arbeitslosenquote beträgt 8,3 Prozent – Brandenburgs niedrigster Wert seit der Wiedervereinigung. Im ostdeutschen Ländervergleich steht Brandenburg damit hinter Thüringen (7,2) und Sachsen (8,0) an dritter Stelle, gefolgt von Mecklenburg-Vorpommern (9,6), Sachsen-Anhalt (10,0) und Berlin (10,7).