Staatskanzlei

Nach dem EU-Finanzkompromiss von Brüssel: Die Weichen für Brandenburgs Entwicklung in den Jahren 2007 bis 2013 müssen jetzt gestellt werden!

Rede auf 26. Plenarsitzung des Brandenburger Landtages

veröffentlicht am 26.01.2006

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der Besinnung auf die eigenen Stärken haben wir bereits im vergangenen Jahr die wirtschaftspolitischen Weichenstellungen vorgenommen. Unser Prinzip lautet jetzt: Wachstumsförderung statt Flächenförderung. Durch Neuausrichtung der Wirtschaftsförderung auf Branchenkompetenzfelder, Branchenschwerpunktorte, regionale Wachstumskerne sowie auf kleine und mittlere Unternehmen werden sich die Rahmenbedingungen in unserem Lande für Mittelstand und wirtschaftliche Entwicklung verbessern. Mit dieser Neuausrichtung sollen knapper werdende Fördermittel so eingesetzt werden, dass der größte Nutzen für die wirtschaftliche Entwicklung erzielt werden kann. Knappe Mittel werden dort konzentriert, wo sie am besten wirken können, um von dort aus auf andere Gebiete, auf andere Branchen auszustrahlen. Stärken zu stärken und die größeren Potenziale zu fördern ist kein Selbstzweck. Meine Damen und Herren, es geht nicht darum, dass die Starken noch stärker werden, während andere zurückbleiben und abgehängt werden, sondern es geht ganz klar darum, besonders entwicklungsfähige Regionen und besonders entwicklungsfähige Branchen so aufzustellen, dass sie andere Regionen und andere Branchen mitziehen können. Das Wachstumsprogramm für den Brandenburger Mittelstand ermöglicht eine zielgerichtete, schnelle und unbürokratische Förderung mittelständischer Unternehmen. Die Konzentration auf Branchenkompetenzfelder ermöglicht die gezielte Förderung erfolgversprechender Wirtschaftssektoren. Oberstes Ziel - auch das will ich in dieser Diskussion noch einmal sagen - bleibt die Erhaltung und Schaffung von Arbeitsplätzen in unserem Land Brandenburg. Nun stellt sich vielleicht mancher die Frage, was das mit der EU zu tun hat. Zunächst einmal: Brandenburg ist nach wie vor - einige Vorredner haben darauf hingewiesen - darauf angewiesen, mit Mitteln aus Europa die eigene Entwicklung voranzubringen. Wir sind nicht deshalb Höchstfördergebiet, damit wir auf irgendeinem Weg möglichst viel Geld bekommen, sondern damit der Prozess der Erneuerung aus eigener Kraft sinnvoll unterstützt werden kann. Aber es gibt einen weiteren Zusammenhang. Auch die Europäische Union hat ihre Weichen neu gestellt. Sie hat zunächst auf dem Frühjahrsgipfel 2005 die so genannte Lissabonstrategie neu ausgerichtet. Wachstum und Beschäftigung rücken stärker in den Mittelpunkt. Zum anderen haben sich die EU-Staats- und Regierungschefs Mitte Dezember letzten Jahres auf die finanzielle Vorausschau verständigt und damit den EU-Finanzrahmen für die Jahre 2007 bis 2013 bestimmt. Die Bundeskanzlerin und auch Bundesaußenminister Frank Walter Steinmeier haben auf diesem Gipfel sehr gute Arbeit geleistet. Lassen Sie mich vor dem Hintergrund der Frage der PDS einige Dinge in den logischen Gesamtzusammenhang stellen, in den sie gehören. Brandenburg wird am Ende der derzeitigen Strukturfondsförderphase, also bis Ende 2006, rund 3,2 Milliarden Euro an Strukturmitteln erhalten haben. Einmal mehr wird deutlich, dass die Europäische Union nicht nur eine politische und wirtschaftliche Union, sondern auch eine Solidargemeinschaft ist. Ohne europäische Mittel würden wir unsere Förderziele nicht finanzieren können. Ergänzt durch Landesmittel haben wir damit wesentliche Impulse für die wirtschaftliche Entwicklung unserer Landes setzen können. Arbeitsplätze konnten geschaffen oder erhalten, die Infrastruktur merkbar ausgebaut und auch die ländliche Entwicklung stabilisiert und gefördert werden. Verwerfungen infolge des wirtschaftlichen Umbruchprozesses wurden durch Weiterbildungsmaßnahmen, Umschulungen und Qualifizierungen abgemildert. Auch in der Förderperiode 2007 bis 2013 wird Brandenburg in erheblichem Maße EU-Finanzmittel benötigen und auch erhalten. Der Finanzrahmen 2007 bis 2013 steht im Wesentlichen. Die mit diesen Beschlüssen prinzipiell erhaltene Planungssicherheit für die neuen Bundesländer wird, diesen Eindruck kann man bekommen, zunächst einmal durch die Ablehnung dieses Rahmens durch das Europäische Parlament konterkariert. Der Haushaltsentwurf scheiterte zum einen an der Höhe, zum anderen an der Struktur. Nun gilt es erst einmal, die Verhandlungen zwischen Rat und Parlamentariern abzuwarten. Ich glaube aber, es gibt keinen Grund, die Situation zu dramatisieren. Ich erinnere daran, dass es auch bei der letzten Vorausschau, das haben manche schon vergessen, einen ähnlichen Vorgang samt Vermittlungsverfahren gegeben hat. Nach allem, was sowohl aus dem Europäischen Parlament als auch aus den Reihen der Kommission zu hören ist, wird spätestens zum Europäischen Rat im Juli ein tragfähiges Ergebnis vorliegen. Bis dahin werden wir die Arbeiten für die Vorbereitung der Strukturfondsförderung fortsetzen, zumal in diesem Bereich keine wesentlichen Veränderungen durch das Europäische Parlament zu erwarten sind. Meine Damen und Herren, wir wissen also noch nicht auf Heller und Pfennig - oder besser: auf Euro und Cent - genau, wie hoch die EU-Förderung im Einzelnen bemessen sein wird. Das hängt nicht allein von uns ab. Aber dazu wird es Verhandlungen mit dem Bund und auch innerhalb der ostdeutschen Länder geben. Wie sehen die neuen Modalitäten der Finanzierung aus? Sicher ist, dass wir insgesamt in den neuen Bundesländern weniger EU-Finanzmittel zur Verfügung haben werden als in der Förderperiode, die noch läuft. Wer sich darüber wundert, wundert sich im Nachhinein über die Erweiterung der Europäischen Union. Auch das muss man einmal ganz nüchtern und klar sagen. Denn vor dem Hintergrund der Erweiterung der Europäischen Union um zehn und demnächst wahrscheinlich um zwei weitere neue Staaten war schlicht und einfach nichts anderes zu erwarten. Das Bruttoinlandsprodukt dieser neuen EU-Mitgliedsstaaten ist bei weitem niedriger als das des europäischen Durchschnitts, auch niedriger als das in Brandenburg. Die neuen Mitglieder in Mittel- und Osteuropa brauchen die Unterstützung nicht allein unter dem Gesichtspunkt der Solidarität. Wir sollten übrigens nicht vergessen, dass wir diese Solidarität in starkem Maße erfahren haben und heute noch erfahren. Auch das sollten wir noch einmal ganz klar und deutlich sagen. Aber abgesehen von der politischen Richtigkeit der Aufnahme in die Europäische Union liegt der wirtschaftliche Aufschwung unserer östlichen Nachbarn darüber hinaus auch sehr wohl in unserem Interesse, im Interesse Brandenburgs. Wir profitieren bereits merkbar und messbar von einem wirtschaftlich stärkeren Polen. Die aktuellen Exportzahlen, insbesondere die nach dem EU-Beitritt Polens im Mai 2004, zeigen starke Zuwächse. Mittlerweile wird jeder zehnte Euro brandenburgischer Exporteure in Polen eingenommen. Das ist eine direkte Folge dessen, dass Polen durch EU-Hilfe den Anschluss an europäische Standards schafft. Auch in diesem Kontext sollten wir Finanzströme analysieren. Wir haben auch davon etwas, und zwar in Mark und Pfennig, unter anderem in Steuereinnahmen. Sicher ist auch, dass die neuen Bundesländer eine gesonderte Zuwendung seitens der EU in Höhe von 225 Millionen Euro erhalten werden. Dieser Sonderbeitrag wird noch zwischen den einzelnen Ländern aufzuteilen sein. Das werden spannende Gespräche, denn das verläuft nie mit übermäßig freundschaftlichen Grundgefühlen. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Brandenburg wird auch weiterhin flächendeckend eine hohe EU-Förderung erhalten. Auf unsere Initiative hin wird die überdurchschnittliche Arbeitslosigkeit bei der Förderhöhe mit berücksichtigt; das war bis dato nicht der Fall. Zudem wird es zumindest in diesem kompletten Jahrzehnt möglich sein, im Südwesten Brandenburgs Regionalbeihilfen in der gleichen Höhe zu leisten wie im Nordosten. Diese dienen als Subvention zur Ansiedlung und zur Stärkung von Unternehmen. Damit erhalten mindestens bis zum Jahre 2010 Unternehmen bei Bedarf überall im Land die Beihilfen in gleicher Höhe. Das war für uns auch ein wichtiges Verhandlungsziel. Ich vertraue darauf, dass der Bund sich auch unter den neuen EU-Finanzbedingungen zum vereinbarten Volumen für den Korb II des Solidarpakts bekennt. Wir werden über das Instrument Föderalismuskommission dafür Sorge tragen, dass das auch umgesetzt wird. Von 2007 an gibt es im innerdeutschen Wettbewerb der Regionen durch den Wegfall bisheriger Beschränkungen größere Chancengleichheit. Auch das, denke ich, sollte in diesen Tagen noch einmal klar gesagt werden. Das gilt insbesondere für den engeren Verflechtungsraum Berlin-Brandenburg. Hier konnten wir bisher den zur Arbeitsmarktregion Berlin-Brandenburg zählenden brandenburgischen Unternehmen weniger Beihilfe gewähren, als dies außerhalb dieser Region möglich war. Der aus brandenburgischer Sicht bestehende strategische Nachteil der Vergangenheit ist ab dem kommenden Jahr endgültig beseitigt. Damit hat auch die Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg gewonnen und wir werden diese neue Chance in enger Abstimmung mit unserem Berliner Nachbarn verantwortlich nutzen. EU-Geld wird also weiterhin auch in Richtung Brandenburg fließen, wenngleich nicht mehr so viel. Es kommt darauf an, die zukünftigen Mittel sinnvoll einzusetzen. Die Europäische Union hat im Hinblick auf den Einsatz ihrer Finanzmittel etwas vorgegeben, nämlich sie auf die neu justierte Lissabonstrategie auszurichten. Was heißt das? Es haben sich folgende Ziele herauskristallisiert: Erstens Förderung von Gründern und Stärkung kleiner und mittlerer Unternehmen, zweitens Unterstützung von Wissen und Innovation, drittens Verbesserung und Vereinfachung des Regelungsumfelds von Unternehmen, viertens Umsetzung der sozialpolitischen Agenda. Letztlich geht es der Europäischen Union darum, durch Förderung eines wissens- und innovationsgestützten Wirtschaftswachstums Einkommen und Beschäftigung auf unserem Kontinent zu sichern. Es ist also leicht erkennbar: Die Schwerpunkte der neu ausgerichteten brandenburgischen Förderstrategie decken sich mit denen der Lissabonstrategie. Wir wollen Bildung und Wissenschaft sowie Wirtschafts-, Innovations- und Technologieförderung stärken. Mit der Festlegung der Branchenschwerpunkte sowie der Konzentration auf regionale Wachstumskerne konnten wir diese Ziele konkreter machen. Das Arbeitsprogramm der Landesregierung zeigt, dass Brandenburg die von der Europäischen Kommission geforderte Eigenverantwortung der Region längst verstanden und umgesetzt hat. Damit haben wir die Weichen für den Einsatz der EU-Strukturfondsmittel schon vor geraumer Zeit gestellt. Auch der Ablauf stimmt. Die neue Landesförderstrategie wurde im vergangenen Jahr auf den Weg gebracht. Im Spätsommer dieses Jahres und damit zeitgerecht erfolgt die Anmeldung der Operationellen Programme bei der Europäischen Kommission. Eine der Voraussetzungen für die Erstellung der Operationellen Programme war die Analyse der sozioökonomischen Lage in Brandenburg, die die Landesregierung dem Landtag bereits Ende letzten Jahres zugeleitet hat und vorher selbstverständlich - Sie sollten sich genau erkundigen, bevor Sie solche Nachrichten in die Welt setzen - im Kabinett behandelt hat. Das will ich nur der Vollständigkeit halber sagen. Auch diese Analyse kommt zu dem Schluss, dass Schwerpunktsetzungen und eine Konzentration von EU-Finanzmitteln für die zukunftsfähigen Bereiche notwendig sind. Meine Damen und Herren, es bleibt festzuhalten: Die Landesregierung hat die erforderlichen Weichenstellungen im Förderbereich frühzeitig vorgenommen. Seit einem Jahr arbeiten wir darauf hin und wir sind dafür gut aufgestellt. Es liegt an uns und den Akteuren vor Ort, die Wachstumskerne zu stärken, zu aktivieren, die Entwicklung voranzutreiben und an der Attraktivität des Wirtschaftsstandortes zu arbeiten. Das Ziel heißt, im gesamten Land Arbeitsplätze zu schaffen oder zu erhalten, wobei alle gefordert und einbezogen sind - so wie es auf vielen Regionalkonferenzen bereits geschehen ist. Es ist und bleibt der richtige Weg. Ich versichere Ihnen, dass - wie in der Vergangenheit - die Landesregierung den Landtag und die Abgeordneten zeitnah unterrichten wird. Gestatten Sie mir zum Schluss noch einige Worte zur gegenwärtigen Situation in Europa. Es gerät - vor allem bei den derzeit geführten Diskussionen - leicht in Vergessenheit, dass dieser Kontinent, der sich in der Vergangenheit immer wieder daran hatten die Deutschen leider einen hohen Anteil - in inneren Konflikten zerfleischt hat, mit dem Einigungswerk der Europäischen Union zu einem Kontinent des Friedens und der Freiheit geworden ist. Dies nehmen wir inzwischen als völlige Selbstverständlichkeit hin, obwohl es über Jahrhunderte hinweg nicht so gewesen ist. Vor allem die Polen und Ungarn machten mit ihrem mutigen Auftreten den Weg für die deutsche Einheit frei. Die Überwindung der sowjetischen Hegemonie in Mittel- und Osteuropa schuf erst die Voraussetzung für die friedliche Vereinigung in der Europäischen Union. Es ist zweifelsohne richtig, dass wir uns auf unserem derzeitigen Weg in einer Krise befinden. Vor dem Hintergrund der unglaublichen Entwicklung der letzten 15 Jahre muss man jedoch diese Krise relativieren, die wir in unserem gemeinsamen Europa meistern werden. Brandenburg leistet als Land in der Mitte Europas mit dem Ausbau der Beziehungen zu unseren Nachbarn im Osten und mit der aktiven Beteiligung an den europäischen Diskussionen deutlich seinen Beitrag dazu. Nicht zuletzt müssen wir unseren Beitrag leisten, indem wir unser Land auf dem Feld der Wirtschaft, der Innovation, der Bildung und der sozialen Sicherheit voranbringen. Es ist unser Beitrag, dieses Europa als einen Kontinent der Freiheit, des Wohlstands, der Sicherheit, des Rechts und nicht zuletzt der Solidarität weiterzubauen. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.