Staatskanzlei

Platzeck gedenkt der Opfer des Internierungslagers Jamlitz – Kritik an Tabuisierung in der DDR

veröffentlicht am 03.09.2005

Ministerpräsident Matthias Platzeck hat heute gemeinsam mit ehemaligen Häftlingen, Angehörigen und Hinterbliebenen der Opfer des Internierungslagers Jamlitz (Dahme-Spreewald) gedacht. Die Gedenkveranstaltung erinnerte daran, dass vor 60 Jahren die ersten Häftlinge in das Lager des sowjetischen Geheimdienstes eingeliefert wurden. Platzeck verwies darauf, dass schon kurz nach der Befreiung – im Herbst 1945 – auf dem Boden ehemaliger faschistischer Konzentrationslager so genannte Speziallager entstanden, in die wie in Jamlitz nicht nur Schuldige und Kollaborateure des Nazi-Regimes kamen, sondern auch viele Unschuldige. Ordentliche Gerichtsverfahren und ein gerechtes Urteil seien ihnen verweigert worden. Platzeck: „Die spätere DDR-Regierung machte sich mitschuldig, indem sie die Fakten über das Ausmaß an Willkür und der damit einhergehenden Grausamkeit unterdrückte.“ Um jede Anprangerung und unliebsame Deutung zu verhindern, seien die Verbrechen aus der Frühphase der DDR bis zu deren Ende 1989/90 tabuisiert und entsprechende Dokumente unter Verschluss gehalten worden, kritisierte der Ministerpräsident. Er verwies darauf, dass den Häftlingen nach der Haftzeit ein Schweigegebot auferlegt wurde und bei Zuwiderhandeln Strafen drohten. Platzeck wörtlich: „Die im Lager erlittene Isolation bestand auf diese Weise auch nach der Freilassung weiter fort. Für alle unschuldig inhaftierten Häftlinge erwuchs daraus eine traumatische Situation mit tief greifenden Auswirkungen auf den persönlichen und beruflichen Lebensweg. Entsprechend groß war bei vielen ehemaligen Opfern das Gefühl der Befreiung und Erleichterung beim Zusammenbruch der DDR.“ Der Ministerpräsident dankte allen, die nach der Wende die Spuren des ehemaligen Lagers Jamlitz bewahrten und Erinnerung an diesem authentischen Ort ermöglichen. Sie hätten mitgeholfen, das Schicksal der unzähligen unschuldigen Opfer sowohl des faschistischen KZ-Nebenlagers Lieberose als auch des Internierungslagers Jamlitz nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Platzeck schloss, es sei an allen Bürgern, die Schicksale der Opfer im Herzen und in den Köpfen zu bewahren, um „unsere Kinder und Kindeskinder gegen radikale Einflüsterungen, gegen Intoleranz, Antisemitismus und Menschenverachtung zu wappnen. Wenn dies gelingt, waren das Leiden und Sterben in Lieberose und Jamlitz nicht vergebens.“ Im Internierungslager Jamlitz waren bis zur Auflösung 1947 mehr als 10.000 Menschen eingesperrt, darunter auch prominente Gegner des NS-Regimes wie Justus Delbrück und Freiherr Ulrich von Sell. Mehr als 3.000 Menschen starben an Hunger, Kälte und Seuchen.