Staatskanzlei

Das Wunder der neuen Normalität

Grundsatzrede von Ministerpräsident Matthias Platzeck bei der Eröffnung des Medienforums anlässlich der 1. Seutsch-Polnischen Medientage am Potsdam, 19. Juni 2008

veröffentlicht am 19.06.2008

ausführliche Fassung Ich möchte Sie alle sehr herzlich hier in Potsdam zu den deutsch-polnischen Medientagen begrüßen. Ich werde mit meiner Rede ein Wagnis eingehen – nämlich das Wagnis, über Normalität zu sprechen und für die Tugenden der Normalität zu werben. Riskant ist das deshalb, weil ich mich damit der Gefahr aussetzen werde, dass Sie mich für geschichtsvergessen halten könnten. Ich werde versuchen, Ihnen zu beweisen, dass das nicht zutrifft. Positive Normalität – auskömmlich und unspektakulär – ist der Zustand, den sich die allermeisten Menschen für ihr Leben, für ihre Familien, Nachbarn und ihr gesamtes Lebensumfeld wünschen. In der unaufgeregten Normalität liegt das Glück. Bekanntlich lautet ein besonders vergifteter chinesischer Fluch: „Mögest Du in interessanten Zeiten leben.“ Aber seien wir ehrlich: Journalismus gedeiht umso besser, je „interessanter“ die Zeiten sind; für Journalisten ist ruhige Normalität im Grunde der größte anzunehmende Unfall. Denn das entscheidende Funktionsprinzip der journalistischen Profession ist das Prinzip der Differenz: Nicht über das wird berichtet, was so ist wie immer. Auch nicht allzu viel über das, was sich nach und nach ganz organisch und behutsam entwickelt. Berichtet wird vielmehr über das, was möglichst deutlich abweicht von der Normalität. Keine einzige Reportage wird darüber geschrieben, dass die Müllabfuhr Woche für Woche unseren Müll abholt. Erst wenn sie dies einmal nicht mehr tut – wie in diesem Frühjahr in Neapel – ist dies ausgiebige Recherchen und Berichte wert. Auch dass in unseren Supermärkten Tag für Tag Milchprodukte verkauft werden, ist ganz sicher keine Nachricht wert. Erst wenn plötzlich einmal der Nachschub gefährdet ist wie in den vergangenen Wochen, wird die Milch zum medialen Thema. Um das gängige Bild zu bemühen: „Hund beißt Mann“ ist eben keine besonders aufregende Schlagzeile; „Mann beißt Hund“ dagegen schon. Was Journalisten von Berufs wegen interessiert, ist also das Ungewöhnliche und das Außerordentliche. Journalisten beschäftigen sich am liebsten mit dem, was üblicherweise nicht stattfindet: für das Nichtalltägliche - also für die Ausnahme von der Normalität. Für Morde oder Massenkarambolagen, für Unwetterkatastrophen oder internationale Krisen. Täglich das Nichtalltägliche liefern zu müssen, ist natürlich keine einfache Sache. Schließlich wird der Müll in unseren Städten meistens ganz unspektakulär abgeholt. Die Milch wird geliefert. Und es werden eben nicht allzu viele Hunde von Männern gebissen. Umso heftiger konkurrieren Journalisten, Zeitungen, Radio und Fernsehen darum, das von der Normalität Abweichende ausfindig zu machen, das Besondere zu beschreiben, zu kommentieren und zu kritisieren. Um auf keinen Fall missverstanden zu werden: Diese Bemühungen der Medien sind selbstverständlich völlig legitim. Sie machen das Wesen des Journalismus in der offenen Gesellschaft aus. Unter den Bedingungen freiheitlicher Demokratie war es nie anders, und daran ist nichts auszusetzen. Aber: Es gibt Nebenwirkungen. Das Ergebnis der journalistischen Jagd nach dem Nicht-Normalen kann nämlich paradoxerweise sein, dass das in den medialen Vordergrund gerückte Nichtalltägliche irgendwann als das Normale gilt – weil es in den Medien weit mehr Beachtung findet als das Gewöhnliche in seinem beständigen, ruhigen Strom. Anrede Genau dazu möchte ich heute am Beispiel der deutsch-polnischen Beziehungen einige Anmerkungen machen. In den zwei Jahren vom Herbst 2005 bis zum Herbst 2007 waren die polnische Innenpolitik und die deutsch-polnischen Beziehungen eine ausgesprochen spannende, also eine „interessante“ Angelegenheit – und dies erst recht aus journalistischer Perspektive. Sie waren vor allem deshalb so spannend, weil in dieser Periode andauernd so etwas wie ein dramatischer Ausnahmezustand zu herrschen schien. In der Regierungszeit der Gebrüder Kaczynski konnte man leicht den Eindruck gewinnen, als begegneten Polen und Deutsche einander auf allen Ebenen nur noch mit Sprachlosigkeit und Unverständnis, mit Verkrampfung und Vorwürfen, mit Anspannung und Stress, mit Misstrauen und Ablehnung. Polen befürchtete dem Vernehmen nach einen neuen deutschen „Drang nach Osten“, in Deutschland wiederum stand man dem schroffen Abgrenzungskurs der polnischen Nachbarn verblüfft und verständnislos gegenüber. Viele Deutsche – auch ich – hatten die neunziger Jahre vor dem Hintergrund der historisch belasteten Beziehungen unserer beiden Nationen als hoffnungsvollen Aufbruch empfunden, als gute und vielversprechende Jahre auf dem Weg in eine gemeinsame europäische Zukunft. Nun schienen alle diese Fortschritte einer nach dem anderen wieder zurückgerollt zu werden. Und die Vorsitzende des Bundes der Vertriebenen, eine Frau mit – vorsichtig gesagt – vergleichsweise begrenztem Einfluss auf die deutschen Politik, galt aus polnischer Sicht auf einmal als zentrale politische Akteurin der Bundesrepublik; wir alle erinnern uns noch an die einschlägigen Titelseiten polnischer Zeitschriften. Anrede Diese schwierige – und in vieler Hinsicht tatsächlich „interessante“ – Zeit der politischen Rückschläge liegt seit dem Herbst des vergangenen Jahres hinter uns. Ein neuer Ton ist auch in den offiziellen Beziehungen zwischen Deutschland und Polen eingekehrt: offener, pragmatischer, entkrampfter – und ja: vielfach auch freundschaftlicher. Als Ministerpräsident des deutschen Bundeslandes mit der längsten Grenze – 250 Kilometer – zu unseren polnischen Nachbarn bin ich über diese Entwicklung außerordentlich froh, ja geradezu dankbar. Die Brandenburger Landesregierung und auch ich selbst haben in den komplizierten Jahren 2005 bis 2007 durchgängig an unserer Politik der weit in Richtung Polen ausgestreckten Hand festgehalten – allen Widerständen, allen Enttäuschungen und Rückschlägen zum Trotz. Das war nicht immer einfach, und es erforderte uns Einiges von dem ab, was heute „Frustrationstoleranz“ genannt wird. Aber es hat sich ausgezahlt. Wir haben darauf geachtet, keine Brücken nach Polen abzubrechen und unsere Türen stets weit offen zu halten. Aber unabhängig davon behaupte ich heute: Selbst in den schwierigen Jahren 2005 bis 2007 spiegelten die andauernden Berichte über die vermeintliche Zerrüttung der deutsch-polnischen Beziehungen das tatsächliche Verhältnis unserer beiden Gesellschaften zueinander nicht mehr angemessen wider. Denn die ganz alltägliche Wirklichkeit, die unspektakuläre Normalität des deutsch-polnischen Zusammenlebens über Oder und Neiße hinweg sah auch in dieser Zeit bereits völlig anders aus. Wir waren schon viel weiter, als das Bild der veröffentlichten Meinung suggerierte. Daran letztlich mussten alle Versuche scheitern, das deutsch-polnische Verhältnis zu einem einzigen ständigen Krisenherd zu stilisieren. Aber offensichtlich scheint mir doch, dass ein Teil dieser Versuche aus politischem Kalkül unternommen wurden. Ebenso klar ist zu konstatieren, dass auch manche Medien auf beiden Seiten ein ausgesprochen großes Interesse daran hatten, den Konflikt zwischen Deutschen und Polen beständig in Gang zu halten – mit der Folge, dass selbst Gutwillige in Politik, Medien und Gesellschaft auf beiden Seiten zeitweilig zu dem Eindruck gelangen mussten, der deutsch-polnische Normalzustand sei die Krise. Sie ist es nicht. Aber ganz überwunden sind diese destruktiven Mechanismen noch immer nicht. Bekanntlich hat es erst jüngst wieder Versuche von Medien gegeben, die Konflikte zwischen unseren beiden Gesellschaften anzufachen. Als besonders kennzeichnend habe ich empfunden, wie dabei ein in Deutschland und in Polen vertretener Verlag über die eigenen Boulevardzeitungen den Streit sozusagen konzernintern inszenierte. Ich habe das mit Bedauern zur Kenntnis genommen – mit Bedauern und Missbilligung, aber auch mit einer ganzen Menge Gelassenheit. Denn ich weiß: Bei den allermeisten Menschen – und zwar in beiden Ländern – lösen abgestandene Mätzchen dieser Art nur noch Langeweile aus. Pickelhauben und abgehackte Köpfe auf polnischen Titelseiten, im Gegenzug dann auf deutschen Titelseiten scheinheilige Empörung nach dem albernen Motto: „Polen geht auf Ballack los“. Bei allem Respekt: Dieser Unfug ist so verstaubt, so vorgestrig, so himmelweit entfernt von aller deutsch-polnischen Wirklichkeit der Gegenwart, dass man sich fragen muss, welches polnische und deutsche Publikum hier überhaupt noch für dumm verkauft werden soll. Im September 2007, also einen Monat vor der jüngsten Sejm-Wahl, erklärten volle 63 Prozent der Polen in einer Umfrage, sie fühlten sich durch Deutschland in keiner Weise bedroht –im Allgemeinen nicht und auch nicht im Besonderen durch die Politik der deutschen Bundesregierung. Lassen Sie es mich deshalb so sagen: Jede Berichterstattung, die heute noch gewohnheitsmäßig darauf setzt, überkommene deutsch-polnische Ressentiments aufzuwärmen und auszuschlachten, ist ganz und gar aus der Zeit gefallen. Die alten Stereotype stimmen schon längst nicht mehr. Sie werden nur noch von einigen Medienleuten und Politikern gepflegt, die – aus ziemlich durchsichtigen Motiven - ohne Feindbilder nicht auszukommen glauben. Anrede Wer dem guten journalistischen Prinzip „Mann beißt Hund“ als Journalist wirklich treu bleiben will, der muss heute intelligenter vorgehen. Der muss journalistische Mittel finden, die neue deutsch-polnische Wirklichkeit in ihrer ganzen Vielschichtigkeit und Komplexität auszuleuchten. Es ist nicht andauernde Zuspitzung und Empörung, die diese Wirklichkeit kennzeichnet. Sondern zunehmende Entkrampfung und Entspannung, auch immer tiefere Verflechtung und Unübersichtlichkeit. Die deutsch-polnischen Verhältnisse unserer Zeit sind weder schwarz-weiß noch langweilig, sondern sie sind bunt und vielfältig – und gerade darin besteht ihre „neue Normalität“. ■ Geradezu beispielhaft hierfür war vor knapp zwei Wochen erst das EM-Spiel zwischen beiden Ländern: Da standen im deutschen Aufgebot Miroslav Klose, geboren in Opole (Oppeln); Piotr Trochowski, geboren in Tczew (Dirschau); und natürlich Lukas Podolski, geboren in Gliwice (Gleiwitz). Wer schlesische Heimatgefühle empfindet, kann auch noch Michael Ballack aus dem niederschlesischen Görlitz hinzuzählen. Lukas Podolski sagt: „Ich habe ein polnisches Herz“ – aber seine Tore schießt er für Deutschland. Miroslav Klose wiederum berichtet: „Mit Lukas Podolski spreche ich meistens auf Polnisch“. Hier wird klar, wie wenig sich die Vielfalt der deutsch-polnischen Verhältnisse noch in die ausgeleierten alten Schablonen pressen lässt. ■ Umgekehrt gibt es den jungen Deutschen Steffen Möller aus Wuppertal in Nordrhein-Westfalen. Möller verschlug es nach seinem Studium mehr aus Zufall nach Warschau, und dort ist er als Kabarettist und Fernsehschauspieler inzwischen zum beliebten Star aufgestiegen. Vor einigen Monaten ist Steffen Möllers Buch „Viva Polonia“ erschienen, in dem er sein „Leben als deutscher Gastarbeiter in Polen“ beschreibt. Jetzt ist Möller mit „Viva Polonia“ ganz weit oben auf die Bestsellerlisten gekommen. In Deutschland! Mit einem Buch über Polen! Wer hätte das gedacht? ■ Und wer hätte noch vor einigen Jahren gedacht, dass im Jahr 2008 deutsche Arbeitskräfte auf Baustellen in Polen arbeiten würden? ■ Wer hätte noch vor einigen Jahren gedacht, dass Brandenburger Handwerker sich erfolgreich um Aufträge in Lubuskie, in Breslau oder in Pommern bewerben würden? ■ Wer hätte noch vor einigen Jahren gedacht, dass sich immer mehr junge polnische Familien in der Uckermark und in Vorpommern ansiedeln würden, weil sie dort günstiger und besser leben können als gleich hinter der Grenze in der regionalen Metropole Stettin? ■ Wer hätte noch vor einigen Jahren gedacht, dass in diesen dünn besiedelten Regionen Ostdeutschlands Schulen und Kindergärten womöglich deshalb erhalten bleiben können, weil es diesen Zuzug über die Grenze hinweg gibt? ■ Wer hätte noch vor einigen Jahren die Selbstverständlichkeit für möglich gehalten, mit der die Zwillingsstädte Frankfurt an der Oder und Słubice, Guben und Gubin mehr und mehr zu grenzüberschreitenden Gemeinwesen zusammenwachsen? ■ Wer hätte noch vor einigen Jahren gedacht, dass sich ein polnischer und ein deutscher Außenminister – bei allen Interessenunterschieden in der Sache – menschlich so hervorragend verstehen würden, wie es Radek Sikorski und Frank-Walter Steinmeier heute tun? ■ Wer hätte noch vor einigen Jahren gedacht, dass in der deutsch-polnischen Grenzregion Brand- und Katastrophenschutz, Straßen- und Radwegebau, Kulturförderung, Kindergarten- und Schulprojekte gemeinsam vorangetrieben werden könnten - gemeinsam und mit Mitteln der Europäischen Union? Anrede Das alles ist die neue Normalität des deutsch-polnischen Miteinanders. Und wer sich auch nur ansatzweise auskennt in der Geschichte der deutsch-polnischen Beziehungen, der wird es nicht für übertrieben halten, wenn ich dies als das „Wunder der neuen Normalität“ bezeichne. Wir haben es also mit einem Paradox zu tun: Das im positiven Sinn ganz Normale ist das Außergewöhnliche – also eigentlich das Berichtenswerte. Ich weiß: Journalisten stellt diese Konstellation vor besondere Herausforderungen. Denn wenig ist ja schwieriger, als Normalität journalistisch erfahrbar zu machen. Dieses Wunder der neuen Normalität ist zutiefst unspektakulär: zwei deutsche Nationalspieler, die sich auf Polnisch unterhalten; ein paar Studenten, die abends über eine Brücke schlendern, um ihr Feierabendbier in der Kneipe auf der anderen Seite des Flusses zu trinken; polnische Eltern, die ihre Kinder in Löcknitz oder Gartz in die Kindergärten bringen und dann nach Stettin zur Arbeit aufbrechen. Solche Normalität journalistisch zu beschreiben fällt nicht leicht. Nicht zuletzt deshalb werden manche Medien – und manche politischen Kräfte – auf beiden Seiten auch in Zukunft periodisch versuchen, dramatische deutsch-polnische Krisen herbei zu inszenieren. Irgendein vermeintlicher Anlass wird sich schließlich immer finden. Aber alle diese kleinen und größeren Krisen, die es leider immer geben wird – hier eine schikanöse Polizeikontrolle, dort ein aufgebrochener Schrebergarten oder auch ein politischer Streit über diese oder jene Frage: Alle diese kleinen Krisen – sind heute eben längst nicht mehr der deutsch-polnische Normalzustand. Normal ist heute die deutsch-polnische Normalität – und gerade darin besteht das Wunder. Anrede Uns allen gemeinsam sollte daran gelegen sein, diese neue deutsch-polnische Normalität zu stärken, zu kräftigen und zu fördern – so sehr und so lange, bis sie niemandem mehr überhaupt noch als „Wunder“ erscheint. Natürlich brauchen wir dafür möglichst viel Wissen über die gemeinsame Geschichte. Aber vielleicht sollte dieses historische Bewusstsein nicht immer unbedingt am Anfang stehen. Vielleicht ist es wichtiger, dass Deutsche und Polen – vor allem junge Deutsche und junge Polen – sich zunächst einmal ganz einfach treffen, begegnen, kennenlernen. Als freie Europäer in einem gemeinsamen neuen Jahrhundert. Ich las kürzlich ein Interview mit der Zeitschrift „Dialog“ ein Interview mit Doris Lemmermeier, bis vor einigen Monaten Leiterin des Deutsch-polnischen Jugendwerks. Mir leuchtet sehr ein, was Doris Lemmermeier dort sagte: „Von deutscher Seite war der Austausch lange Zeit sehr stark vom Versöhnungsgedanken geprägt – das haben wir geschafft, die Versöhnung hat stattgefunden … In Deutschland wäre es jetzt notwendig, einen anderen Blick auf Polen zu bekommen, vielleicht mehr vom neuen, lebendigen und modernen Polen wahrzunehmen - natürlich in dem Bewusstsein der gemeinsamen Geschichte. Wir Deutsche wissen erschreckend wenig über das heutige Polen, und wenn wir hier nicht langsam aufpassen, dann verschlafen wir etwas.“ In der Tat: Von der pulsierenden Gegenwart der modernen polnischen Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur in ihrer ganzen Vielfalt weiß man bei uns in Deutschland viel zu wenig. Das zu ändern, halte ich für die wichtigste deutsch-polnische Aufgabe der kommenden Jahre überhaupt. Genau deshalb ist mir heute unverständlicher denn je, dass das Deutsch-Polnische Jugendwerk – eine einzige lange Erfolgsgeschichte seit 1991 – weiterhin mit der Hälfte des Budgets auskommen muss, das dem Deutsch-Französischen Jugendwerk zur Verfügung steht. Beides ist wichtig. Ich bin deshalb weit davon entfernt, diese zwei Institutionen gegeneinander auszuspielen. Aber ich halte es umgekehrt für absolut unbestreitbar, dass die Förderung deutsch-polnischer Begegnungen auf unserer Prioritätenliste heute ganz weit nach oben gehört – und ganz sicher so weit nach oben wie die Förderung des deutsch-französischen Austauschs. Anrede Zukunft braucht Herkunft, das bleibt richtig. Die Katastrophen der deutsch-polnischen Vergangenheit können wir nicht ungeschehen machen. Dass wir aus ihnen gelernt haben, beweisen wir am besten, indem wir unsere gemeinsame Zukunft beherzt angehen. Je mehr ganz alltägliche deutsch-polnische Normalität uns gelingt, desto mehr werden Polen und Deutsche im 21. Jahrhundert zueinander finden. Deshalb gilt: Die beste Aussöhnungspolitik, die wir heute betreiben können, ist die aktive Weiterentwicklung der positiven Alltagsnormalität, die sich zwischen Deutschen und Polen immer mehr entwickelt. Diese neue Normalität in ihrer Vielfalt und in ihren Potenzialen auszuleuchten und zu fördern – genau das halte ich zugleich für die journalistische Herausforderung, der sich die Medien in unseren beiden Ländern gewachsen erweisen sollten. Vieles bleibt dabei noch zu tun. Aber wir sind auf einem guten Weg – auf einem viel besseren, als wir manchmal selber glauben. Gehen wir diesen Weg zuversichtlich weiter.