Staatskanzlei

Jüdisches Leben fördern und schützen – Schüle und Stübgen stellen Berichte vor

Zu den Ergebnissen der Kabinettssitzung teilt Regierungssprecher Florian Engels mit:

veröffentlicht am 28.04.2020

Für das Land Brandenburg sind die Förderung und der Schutz jüdischen Lebens eine historische Verantwortung. Kultur- und Wissenschaftsministerin Manja Schüle und Innenminister Michael Stübgen stellten heute im Kabinett ihre Berichte zur Umsetzung des Landtagsbeschlusses „Jüdisches Leben in Brandenburg fördern und schützen" vor.

Der Landtag hatte Anfang des Jahres vor dem Hintergrund des Anschlags auf die Synagoge in Halle am 9. Oktober 2019 und weiterer antisemitischer Vorkommnisse die Landesregierung aufgefordert, die aktuelle Sicherheitslage jüdischer Einrichtungen zu bewerten und zusätzliche Mittel zur Sicherung der Einrichtungen bereitzustellen. Im Rahmen des Nachtragshaushalts stehen dafür in diesem Jahr 520.000 Euro zur Verfügung. 750.000 Euro stellt das Land in 2020 zur Förderung des Wiederaufbaus und der Aufrechterhaltung jüdischen Verbands- und Gemeindelebens bereit. Die Berichte werden an den Landtag weitergeleitet.

Kulturministerin Manja Schüle: „In den vergangenen 30 Jahren ist ein vielfältiges und aktives jüdisches Leben in Brandenburg neu entstanden. Das ist das Verdienst der zahlreichen Mitglieder der jüdischen Gemeinden. Dazu gehören aber auch die School of Jewish Theology an der Universität Potsdam, das Abraham Geiger Kolleg, das Zacharias Frankel College und das Moses Mendelssohn Zentrum. Sie alle prägen heute selbstverständlich jüdisches Kultur- und Geistesleben in Brandenburg. Dass sich viele Jüdinnen und Juden ausgerechnet Deutschland und Brandenburg als neue Heimat ausgewählt haben, ist Ausdruck ihres Vertrauens in unser Land. Das ist alles andere als selbstverständlich, und dafür bin ich zutiefst dankbar. Wir haben die Verpflichtung, dieses neu entstandene jüdische Leben zu schützen und zu fördern - der Antrag des Landtags ist hierbei eine wichtige Unterstützung."

Innenminister Michael Stübgen: „Jüdisches Leben zu fördern und zu schützen, ist angesichts der deutschen Geschichte eine Verpflichtung von historischem Ausmaß. Auch ein halbes Jahr nach dem niederträchtigen Anschlag von Halle müssen wir leider weiter von möglichen antisemitischen Gewaltstraftaten ausgehen. Deshalb stehen wir in engem Kontakt mit den jüdischen Gemeinden und Einrichtungen in Brandenburg und stimmen alle Sicherheitsmaßnahmen im Einzelfall ab. Unsere Schutzleistungen reichen von materiellem Gebäudeschutz über Polizeistreifen bis zu intensiven Objektschutzmaßnahmen. Natürlich gehört auch der generelle Einsatz gegen politisch und religiös motivierte Kriminalität zum Schutz jüdischen Lebens. Dem Rechtsextremismus gilt dabei unsere besondere Aufmerksamkeit, schließlich haben die allermeisten antisemitischen Straftaten einen rechtsextremistischen Hintergrund."

Zentrale Aspekte des Berichts zur Gefährdungslage der jüdischen Einrichtungen:

  • Das Bundeskriminalamt und das Landeskriminalamt Brandenburg gehen weiterhin von einer abstrakten Gefährdung für jüdische Einrichtungen aus. Schwerste Gewaltstraftaten durch radikalisierte Einzeltäter oder Kleinstgruppen sind jederzeit möglich. Hinweise oder Erkenntnisse über eine konkrete Gefahr für jüdische Einrichtungen liegen den Sicherheitsbehörden derzeit nicht vor.
  • Von 2014 bis 2019 wurden insgesamt 539 antisemitische Straftaten polizeilich bekannt, rund 96 Prozent davon waren rechtsextremistisch. Der Schwerpunkt der Delikte lag bei Volksverhetzungen (58 Prozent), gefolgt von Propagandadelikten (18 Prozent) und Sachbeschädigungen (6 Prozent). Insgesamt 3 Prozent der antisemitischen Straftaten waren Gewaltdelikte.
  • Die Polizei des Landes Brandenburg hat derzeit insgesamt 107 Liegenschaften und Objekte als relevante jüdische Einrichtungen (z. B. Gedenksteine, Gedenktafeln, Jüdische Friedhöfe) erfasst, die entsprechend bestreift und überwacht werden.

Zentrale Aspekte des Berichts zur Förderung jüdischer Einrichtungen in Brandenburg:

  • Das Land stellt jährlich Mittel zur Förderung des Wiederaufbaus und der Aufrechterhaltung jüdischen Verbands- und Gemeindelebens bereit. In diesem Jahr stehen750.000 Eurozur Verfügung, die zwischen dem Landesverband der Jüdischen Gemeinden - Land Brandenburg, dem Landesverband-West der Jüdischen Kultusgemeinden in Brandenburg und der Gesetzestreuen Jüdischen Landesgemeinde aufgeteilt werden.
  • Um die jüdischen Einrichtungen besser zu schützen, stellt das Land in diesem Jahr500.000 Eurobereit. Damit können die jüdischen Gemeinden die aus den Objektbegehungen erfolgten polizeilichen Handlungsempfehlungen zur Sicherung ihrer Gebäude umsetzen. Die notwendigen Mittel können beim Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur beantragt werden. Weitere20.000 Euroerhält das Abraham Geiger Kolleg für Bewachungsmaßnahmen.

In Brandenburg gab es früher ein vielfältiges jüdisches Leben: Vor 1933 lebten hier etwa 9.000 Juden in mehr als 20 Gemeinden. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, der Shoa und den Vertreibungen lebten auf dem Gebiet des heutigen Landes Brandenburg nur noch vereinzelt Juden. Erst ab 1991 gründeten Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion wieder jüdische Gemeinden in Potsdam, Cottbus, Frankfurt (Oder), Brandenburg an der Havel, Bernau, Oranienburg und Königs Wusterhausen mit insgesamt rund 2.000 Mitgliedern. Das Land Brandenburg hat im Jahr 2005 einen Staatsvertrag mit dem Landesverband der Jüdischen Gemeinden abgeschlossen. Im Januar 2015 wurde in Cottbus die landesweit erste Synagoge nach 1945 eingeweiht. Der Bau einer weiteren Synagoge in Potsdam ist geplant, sie soll 2023 eröffnet werden. Das Land stellt für den Bau 8 Millionen Euro bereit.

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