"Meine Heimat Brandenburg"
02.04.2009
Mein Brandenburg: Eine LiebeserklärungVon Jörg Schönbohm.
So wie es Theodor Fontane im Vorwort seiner Wanderungen durch die Mark Brandenburg beschrieben hat, so habe auch ich es erfahren: „Erst die Fremde lehrt uns, was wir an der Heimat besitzen.“
Seit Generationen lebt meine Familie in Brandenburg. In Neu-Golm, wo ich geboren wurde, läutet noch heute die Kirchenglocke zum Gottesdienst, die mein Großvater anlässlich der Taufe seiner Tochter gießen ließ; und noch heute steht hier das alte Schloss, dass für einige Jahre meinem Großvater gehörte, der durch Holzhandel zu Reichtum gekommen war.
Meine Kindheit verbrachte ich in Bad Saarow. Hier am Strand des Scharmützelsees buk mir meine heutige Ehefrau Eveline die ersten Sandkuchen. Häufig erlebte ich am Ufer des Sees Szenen, wie sie Fontane in seinen Wanderungen beschrieb: „Über dem blauen Wasser wölbte sich der blauere Himmel und zwischen den spärlichen Binsen, die das Ufer hier einfassten, hing ein ebenso spärlicher Schaum, der in dem scharfen Ostwinde beständig hin und her zit-terte. Holz und Borkestücke lagen über den Weg hin zerstreut, andre dagegen tanzten noch auf dem flimmernden See, der im übrigen, all diesem Flimmern und Schimmern zum Trotz, einen tiefen Ernst und nur Einsamkeit und Stille zeigte. Nirgends ein Fischerboot, das Netze zog oder Reusen steckte, ja kaum ein Vogel, der über die Fläche hinflog. Oft hielt ich an, um zu horchen, aber die Stille blieb und ich hörte nichts als den Windzug in den Binsen und das leise Klatschen der Wellen.“
Trotz Krieg und Entbehrungen hatte ich eine erfüllte und glückliche Kindheit. Meine Familie und das Gefühl Zuhause zu sein gaben mir Geborgenheit. Im Februar 1945 floh meine Mutter mit uns fünf Kindern vor der heranrückenden Roten Armee aus Bad Saarow. Ich war erst sie-ben Jahre alt, als ich meinem Zuhause über Nacht Lebewohl sagen musste, mein jüngster Bruder vier Wochen. Doch egal, wie viele Jahre ich auch von meiner Heimat getrennt war – Brandenburg hat mich nie losgelassen.
Meine Eltern und meine Schwiegereltern haben oft mit uns über unsere verlorene Heimat ge-sprochen, die mir als Soldat verschlossen war. Erst vier Jahrzehnte später ermöglichten der Kollaps des Sozialismus und die friedliche Revolution in der DDR meiner Frau und mir die Rückkehr in unsere märkische Heimat und den Besuch der Orte unserer gemeinsamen Kind-heit.
Mit der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 begann meine Amtszeit als Befehlshaber des Bundeswehrkommandos Ost in Strausberg. In den folgenden Monaten und Jahren habe ich von hier aus meine alte Heimat intensiv und mit allen Facetten aufs Neue kennengelernt: die Menschen, die Landschaft und die Kultur.
Ich reiste nach Potsdam und bestaunte das reiche preußische Erbe; ich erkundete das Havel-land mit seinen romantischen Seenketten und einmaligen Flusslandschaften; ich ließ mich von den sanften Hügellandschaften des Barnimer Landes verzaubern; ich besuchte die unzähligen Burgen des Flämings, die von der langen Geschichte Brandenburgs zeugen; ich ließ mich von der idyllischen Natur des Spreewaldes fesseln; ich verliebte mich in den herben Charme der Prignitz. Vom ersten Tag an spürte ich: Dieses Land ist meine Heimat – hier gehöre ich hin.
Es ist unser großes persönliches Glück, dass meine Frau und ich, nach so langer Zeit wieder nach Hause zurückkehren konnten. Unser Zuhause ist Brandenburg.
(Quelle: Veröffentlicht in der SUPERillu vom 02. April 2009)