"Ich will nicht über Herrn Petke philosophieren"
07.07.2008
Interview mit den "Potsdamer Neuesten Nachrichten"Potsdamer Neueste Nachrichten: Woran erkennt man, dass in Brandenburg der Kommunalwahlkampf begonnen hat?
Jörg Schönbohm: Ganz einfach, meine Herren: Man merkt es daran, dass SPD-Minister ausschwärmen, um Förderbescheide in möglichst kleiner Stückelung, aber großer Zahl, auszugeben und dass Regierungschef Matthias Platzeck erstaunlich viele Schirmherrschaften übernimmt.
Oder daran, dass SPD-Minister wie Dietmar Woidke oder Dagmar Ziegler plötzlich für Kreistage kandieren, Reinold Dellmann sogar für ein Gemeindeparlament. Wie findet das der Kommunalminister?
Rechtlich geht das, aber da stimmt etwas nicht. Als die CDU durchsetzen wollte, dass hauptamtliche Bürgermeister des Landes auch für die Kreistage ihrer Region kandidieren dürfen, um dort ihren Sachverstand einzubringen, hat die SPD das strikt abgelehnt, um das Ehrenamt zu stärken. Jetzt haben die Sozialdemokraten plötzlich nichts dagegen, dass hauptamtliche Minister für Kreistage kandieren. Glaubwürdig ist das nicht.
In der SPD-CDU-Koalition hängt mittlerweile regelmäßig der Haussegen schief. Allein in diesem Jahr mussten die Koalitionsspitzen schon vier Mal tagen. Erleben wir gerade die Endzeit einer Großen Koalition wie einst in Berlin?
Der Eindruck ist falsch, die Situation in Brandenburg ist anders. In Berlin spiegelten sich zum Ende der Diepgen-Ära die zerrütteten Verhältnisse der Landespolitik, das fehlende Vertrauen zwischen den Parteichefs von SPD und CDU unmittelbar im Senat wieder. In Brandenburg gibt es zwischen den Koalitionsfraktionen manchmal Reibereien, was normal ist. Aber das Verhältnis von Matthias Platzeck und Ulrich Junghanns ist vertrauensvoll, die Zusammenarbeit im Kabinett ist verlässlich.
Ist nicht die Platzeck-SPD schon längst auf dem Weg zu Rot-Rot, wie viele meinen?
Ich denke, dass Brandenburgs Sozialdemokraten bis auf eine kleine Minderheit klug genug sind, für die Zeit nach 2009 nicht auf Rot-Rot zu setzen. Die SPD/CDU-Koalition für das Land hat schließlich viel erreicht, ob in der Wirtschaft, in den Hochschulen und in der Bildung, bei der Inneren Sicherheit, beim Haushalt und Personalabbau, so dass wir 2009 abrechnen können: Gesagt, getan – um dann die nächsten Hürden zu nehmen.
Was hat die Koalition nicht geschafft, was bleibt für die nächste Legislatur zu tun?
Wir müssen den Mittelstand unterstützen, damit die märkischen Firmen, die oft nur fünf bis 20 Mitarbeiter haben, im Wettbewerb bestehen können. Wir müssen uns noch mehr auf Ausbildung, auf die Schulen konzentrieren. Das wird die zentrale Herausforderung der nächsten Wahlperiode. Fachkräfte werden knapp, wir brauchen künftig jeden Jugendlichen. Noch sind aber zehn bis 15 Prozent der Schulabgänger nur begrenzt ausbildungsfähig. Und wir müssen uns gründlich anschauen, ob die Verwaltungsstruktur des Landes mit vier kreisfreien Städten und 14 Landkreisen langfristig gut genug ist.
Also eine Kreisgebietsreform?
Nein, meine Auffassung ist, dass das bestehende Grundsystem zukunftsträchtig ist. Das schließt aber nicht aus, dass man darüber nachdenken kann, ob es längerfristig angesichts sinkender Einwohnerzahlen wirklich vier kreisfreie Städte in Brandenburg geben muss oder man neue Formen der Zusammenarbeit findet.
Was Sie aufzählen, könnte auch eine rot-rote Regierung. Noch einmal, warum sollte die SPD davor zurückschrecken?
Weil Rot-Rot dem Land und der SPD schaden würde. Nach den Umfragen liegt die SPD in Brandenburg knapp vor der Linkspartei. Die SPD kann parteipolitisch gar kein Interesse haben, die erstarkende Linkspartei auch noch in die Regierung zu holen. Anders als damals in Berlin ist der Abstand zwischen SPD und Linken einfach zu gering, um Rot-Rot ohne Gefahr für die eigene Identität zu riskieren.
Das bedeutet andersherum: Je schwächer die Union, desto eher regiert sie weiter?
Ganz im Gegenteil! Die SPD liegt um die dreißig Prozent. Da ist es umso wichtiger, dass die CDU möglichst stark wird, stärker als bisher, damit die SPD-CDU-Koalition im Landtag auch künftig eine verlässliche, stabile Mehrheit hat. Vor allem gilt: Wir müssen endlich die Auseinandersetzungen in unseren Reihen beenden. Zum Glück haben sie bislang die Arbeit von Regierung und Koalition nicht beeinträchtigt.
Es liegt nicht an der Union, wenn es häufiger in der Koalition knirscht?
Trotz unserer eigenen Probleme, die ich gar nicht bestreiten will: Die Union hat, wenn es in der Koalition um schwierige Fragen ging, immer gestanden. Von der SPD kann man das leider nicht behaupten. Ich erinnere nur an die voreilige Streichung des Weihnachtsgeldes für Beamte, die vom Kabinett nach dem Willen von Ministerpräsident und Finanzminister gegen meine Bedenken beschlossen wurde, und von der SPD plötzlich wieder gekippt wurde.
Solche Kurskorrekturen der SPD im laufenden Galopp häufen sich, zuletzt bei den Volksinitiativen für kostenlose Schulbusse und für ein Sozialticket. Hat Regierungschef Matthias Platzeck die Zügel noch im Griff?
Ja, ich kenne in der Brandenburger SPD jedenfalls niemanden, der ihm sein Amt streitig macht. Aber in der SPD herrscht eine spürbare Nervosität, weil das System unter Druck steht. Vor zehn Jahren hatte die Partei noch die absolute Mehrheit. Wenn jetzt Bundestagswahlen wären, würde die SPD nach einer Umfrage 6 von 10 Wahlkreisen an die Linke verlieren. Das muss zum Nachdenken, zu Unruhe führen. Ich habe Verständnis für die Diskussionen, aber nicht für jedes Ergebnis.
Es war also falsch, dass die SPD und daraufhin die Koalition bei den von der Linkspartei dominierten Volksinitiativen für kostenlose Schulbusse und ein Sozialticket einknickte?
Sagen wir es so: Als die Fraktionsvorsitzenden von SPD und CDU im Landtag dann die beiden Volksinitiativen auch noch besonders lobten, habe ich mit innerem Unbehagen zugehört.
Wie kommt es, dass die Linke in Brandenburg mittlerweile stabil bei 30 Prozent liegt und zweitstärkste Kraft vor der Union ist?
Für mich liegt der Hauptgrund darin, dass von den Brandenburgern nach wie vor viele Veränderungen abverlangt werden müssen. Wenn Schulen geschlossen werden, wenn das System zentraler Orte verschlankt wird, führt das im Land zu Unruhe, zu Unsicherheit. Die Linkspartei tut aber so, als ob alles so bleiben kann wie es ist und als ob die Kosten keine Rolle spielten – Freibier für alle! Das ist falsch. Zudem hat die PDS mehr Mitglieder als SPD und CDU zusammen.
Vor vier Jahren wurde die Union unter ihrer Führung bei der Kommunalwahl in Brandenburg stärkste Partei. Warum glaubt selbst in den eigenen Reihen niemand, dass die CDU das wiederholen kann?
Natürlich können wir das. Für die CDU ist nichts verloren. Kommunalwahlen laufen nach anderen Gesetzen ab als Landtags- oder Bundestagswahlen. Es hängt sehr stark von den Kandidaten vor Ort ab. Gerade die Kommunalwahl 2003 hat gezeigt, dass alles möglich ist: Wir haben sie damals gewonnen, obwohl wir gerade eine unpopuläre Gemeindereform durchgesetzt hatten. Wir haben geduldig erklärt, dass dies nötig ist, die Kirche und die Feuerwehr trotzdem im Dorf bleiben. Wir waren einig, wir waren standfest – das wurde belohnt. Der Ausgang der Kommunalwahl 2008 wird maßgeblich davon abhängen, ob die CDU es schafft, ihre inneren Auseinandersetzungen zu beenden.
Es sieht jedenfalls nicht danach aus. Man nehme nur den Brandbrief von vier Mandatsträgern zur „schlechtesten CDU Deutschlands“. Oder den Machtkampf um den Kreisvorsitz in Potsdam, wo Amtsinhaber Wieland Niekisch von Anhängern des Ex-Generalsekretärs Sven Petke gestürzt wurde und jetzt Petkes Ehefrau, die Bundestagsabgeordnete Katherina Reiche für den Posten kandidiert.
Das vermeintliche Strategiepapier hat mit Strategie nichts zu tun. Es ist allenfalls eine oberflächliche Fehleranalyse, die sich in Wahlkampfzeiten eigentlich selbst verbietet. Was in Potsdam geschieht, wie Wieland Niekisch abserviert wurde, lässt mich allerdings auch persönlich nicht kalt. Es ist der Kreisverband, wo ich 1994 in die CDU eingetreten bin. Trotzdem, für mich sind das Nachhutgefechte.
Macht ein Mann wie Sven Petke die Partei kaputt?
Ich will nicht über Herrn Petke und seine Motive philosophieren. Die Brandenburger CDU ist widerstandsfähig und belastbar geworden.
Was derzeit in Potsdam und anderswo passiert, sind vielleicht keine Nachhutgefechte, sondern Vorgefechte für die eigentliche Auseinandersetzung, um vor der Landtagswahl 2009 die Machtverhältnisse zu kippen und Junghanns zu stürzen?
Vielleicht stimmt ja beides, es sind Nachhutgefechte und Voraufklärungs-Versuche für neue Abstimmungen. So oder so, es macht die Sache ja nicht besser. Natürlich geht es, ob in Potsdam oder anderswo im Landesverband, bereits um die Mehrheitsverhältnisse, wenn wir im Frühjahr 2009 die Landeslisten für die Bundestags- und Landtagswahl aufstellen werden.
Droht ein Showdown?
Meine größte Sorge ist: Wenn es uns dann nicht gelingt, eine gemeinsame Liste aufzustellen, auf der die beiden Lager, die beiden Antipoden, die es offiziell ja gar nicht gibt, aber in Wirklichkeit natürlich doch, repräsentiert sind, wird es keinen gemeinsamen Wahlkampf der CDU Brandenburg geben. Dann können wir einpacken. Ich sage deshalb allen: Hinterlasst keine verbrannte Erde, wir müssen Brücken bauen.
Kann das der Parteivorsitzende Ulrich Junghanns, der selbst seine Erfolge als Wirtschaftsminister schlecht verkauft? Ist er stark genug, die Union zu einen, zum Erfolg in den Wahlkämpfen zu führen?
Wenn er nicht stark genug wäre, wäre Ulrich Junghanns nicht Parteivorsitzender: Er hat als erfolgreicher Wirtschaftsminister ein beträchtliches Maß an Ansehen im Lande gewonnen. Das höre ich überall, das wird der Union bei der Kommunalwahlwahl helfen. Und mit Verlaub, Sie wissen es doch am Besten: Es ist nicht leicht Erfolge zu verkaufen. Flops finden in den Medien leichter Widerhall.
Man muss kein Prophet sein, dass der Wahlkampf 2009 um Rot-Rot geführt wird, es wird der 20.Jahrestag des Mauerfalls sein. Wäre es eine Brücke, wenn Ulrich Junghanns - zu DDR-Zeiten Funktionär einer Blockpartei - 2009 nicht Spitzenkandidat wird, sondern Wissenschaftsministerin Johanna Wanka?
Die Frage stellt sich nicht. Die CDU ist so klug, dass sie all diese Fragen beantwort, wenn es dafür an der Zeit ist. Die Spitzenkandidatur für die Landtagswahl wird eine Sache sein, die endgültig die Landesdelegiertenkonferenz entscheidet, und Ulrich Junghanns hat hierbei die entscheidenden Vorentscheidungen zu treffen.
Das war ein klares Herumeiern.
Wieso? Entscheidungen werden erst getroffen, wenn die Zeit dafür reif ist. Wir müssen bis dahin die Zeit nutzen, um Brücken zu bauen, damit in der CDU Geschlossenheit einzieht. Wenn man herangeht, etwas für Brandenburg und für die Union zu erreichen, dann gibt es Lösungen. Wenn man Egoismen pflegt, gibt es keine, das gilt für alle.
Bleibt es dabei, dass für Jörg Schönbohm 2009 definitiv Schluss mit Regierungsämtern sein wird?
Ja, ich bin dann 72 Jahre alt. Ich höre auf, das habe ich meiner Frau versprochen und das Versprechen muss ich halten. Wir haben kurz danach Goldene Hochzeit.
(Quelle: Das Interview führte Thorsten Metzner. Es erschien am 07.07.2008 in den "Potsdamer Neuesten Nachrichten".)