Schönbohm mahnt zur Einigung beim Bleiberecht
06.03.2007
CDU-Politiker hält Kritik an Schäuble für unfairBrandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm dringt auf eine Einigung über ein Bleiberecht für langjährig geduldete Ausländer. Ein Scheitern der Verhandlungen wäre für keines der Bundesländer gut, auch für den Bund nicht, sagte der CDU-Politiker. Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) habe ein ausgewogenes Paket vorgelegt.
Dirk-Oliver Heckmann: Es geht um rund 190.000 Menschen, die seit Jahren in Deutschland leben, geduldete Ausländer. Sie lebten in all den Jahren in der Ungewissheit, was kommen wird, denn eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung gab es für sie nicht. Sie mussten alle drei Monate einen neuen Antrag stellen. Die Koalitionsfraktionen von Union und SPD hatten sich im vergangenen Monat unter der Regie von Bundesinnenminister Schäuble darauf verständigt, den Betroffenen eine Chance zu geben. Wenn sie bis Ende 2009 eine Arbeit finden und selbst für ihren Lebensunterhalt aufkommen können, dann bekommen sie das Recht, auf Dauer in Deutschland zu leben. Doch einzelnen unionsregierten Bundesländern wie Bayern und Niedersachsen geht das zu weit. Sie wollen, dass nur bis Ende September diesen Jahres Zeit gegeben wird. Ansonsten droht die Abschiebung.
Heute steht das Thema im Koalitionsausschuss auf der Tagesordnung und darüber möchte ich sprechen mit Jörg Schönbohm, dem stellvertretenden Ministerpräsidenten von Brandenburg und CDU-Innenminister. Schönen guten Morgen!
Jörg Schönbohm: Einen wunderschönen guten Morgen nach Köln!
Heckmann: Herr Schönbohm, der bayerische Innenminister Beckstein hat schon signalisiert, er werde der Regelung nicht zustimmen, die zwischen Union und SPD auf Bundesebene vereinbart worden ist. Liegen Sie da mit ihm auf einer Linie?
Schönbohm: Ja, Sie müssen die Vorgeschichte kennen. Wir hatten eine Innenministerkonferenz im November in Nürnberg, und da haben die Länder, SPD- und CDU/CSU-Länder einschließlich FDP, Innenminister Wolf aus Nordrhein-Westfalen, sich auf eine Regelung verständigt, die lautete, alle die bis zum 30.9. diesen Jahres in Deutschland leben und länger als sechs oder acht Jahre hier sind und die Arbeitsaufnahme haben, sollen hier bleiben. Von dieser Grundüberlegung ist der Bundesinnenminister bei seinen Verhandlungen auf Bundesebene mit der SPD abgewichen. Das ist der Kern des Konflikts. Es geht also um die Frage, erst Zugang zum Arbeitsmarkt und dann Aufenthalt oder erst Aufenthalt und dann Hoffnung, dass sich daraus ein Zugang zum Arbeitsmarkt ergibt. Das wird in den Ländern etwas unterschiedlich gesehen.
Heckmann: Was machen wir jetzt mit diesem Konflikt? Der Bund, Union und SPD, sagen, bis Ende 2009 sollen die betroffenen Personen Zeit haben, und einige unionsgeführte Bundesländer sagen, das ist ihnen zu weitgehend. Was tun Sie?
Schönbohm: Die Länder sind davon unterschiedlich stark betroffen. Das muss man wissen. Beispielsweise Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen und auch Nordrhein-Westfalen sind davon erheblich betroffen, weil sie große Zahlen haben, die dann im Sozialsystem auf Dauer bleiben. Das wollen sie verhindern, und das muss man verstehen können. Da muss auch Herr Müntefering sich mit dieser Frage auseinandersetzen und kann das nicht einfach abbürsten. Für ein Land wie Brandenburg oder andere neue Länder ist das Problem nicht so gravierend. Ich habe Sorge, ich bin jetzt seit über elf Jahren in der Innenministerkonferenz, dass sich aus dieser Diskussion ein Grundsatzstreit ergibt, den wir schon mal hatten. Den haben wir vor zehn Jahren gehabt, den haben wir vor acht Jahren gehabt. Wir sind jetzt an sich in der Innenministerkonferenz sehr viel weiter, weil wir gesagt haben, wir wollen eine gemeinsame Lösung finden. Bei den Verhandlungen des Bundesministers mit der SPD, also in der Koalition, hat ja die CDU eine ganze Menge andere Dinge erreicht, die man nicht gering achten darf. Das Nachzugsalter für Ehepartner ist erhöht worden, festgelegt worden auf 18 Jahre. Sie müssen Deutschkenntnisse haben. Integrationsverweigerer können mit Leistungskürzungen belegt werden. In der Terrorbekämpfung haben wir Fortschritte erzielt. Alles dieses hängt zusammen, und das wird in der Gewichtung etwas unterschiedlich bewertet je nach Länderinteressen. Das ist richtig.
Heckmann: Das heißt, Sie sehen die Gefahr, dass das gesamte Paket möglicherweise in Gefahr gerät?
Schönbohm: Ja, das ist es. Darum ist der Kompromissvorschlag das, was wir einvernehmlich in der Innenministerkonferenz erreicht haben: keine gesetzliche Altfallregelung des Bundes, sondern eine Bleiberechtsregelung, auf die sich die Innenminister verständigt haben, wie schon so häufig verständigt haben, mit Zustimmung des Bundes. Und dann die anderen Regelungen im Gesamtpaket, die ich ganz kurz erwähnt habe, die könnte man in Kraft setzen. Dazu braucht es bundesgesetzliche Regelungen. Das was der Bundesgesetzgeber regeln muss, das sollte er regeln, und was die Länder selber regeln können im Einvernehmen der Innenministerkonferenz, können die Länder machen. Das könnte eine Kompromisslinie sein.
Heckmann: Das heißt wenn ich Sie recht verstehe, sprechen Sie sich auch gegen die Lösung aus, dass bis Ende 2009 Zeit gelassen werden soll?
Schönbohm: Für das Bundesland Brandenburg wäre das nicht so schwierig, aber da wir ja ein Kollegialprinzip haben und auch die Sorgen der größeren Länder berücksichtigen müssen, wäre ich für eine Regelung, dass man sich auf den IMK-Beschluss bezieht. Aber Scheitern darf die ganze Sache überhaupt nicht. Das wäre für keines der Länder gut, auch für den Bund nicht.
Heckmann: Der bayerische Innenminister, Ihr Amtskollege Beckstein, hat Innenminister Schäuble mangelnde Zusammenarbeit vorgeworfen. Hatte denn Schäuble die Interessen der Länder nicht im Blick?
Schönbohm: Das finde ich schlichtweg unfair. Das habe ich auch den Kollegen gesagt. Schließlich waren dabei von der CSU der Herr Uhl, der nun weiß Gott sehr klar ist in seinen Auffassungen. Ich denke, der Innenminister Schäuble hat ein ausgewogenes Paket vorgelegt, weil er die anderen Punkte, die zusammenhängen, Integrationserfordernisse erhöhen, Terrorbekämpfung verbessern, Abschiebungshaft erleichtern, Arbeitsmarktzugang erleichtern - dazu braucht er die Zustimmung der SPD -, Leistungskürzungen für langjährig auffällige Asylbewerber, all das hat er erreicht. Und wenn man das gewichtet, dann kann man durchaus sagen, dass die Koalition auf Bundesebene ein Ergebnis hingekriegt hat, was vertretbar ist. Wenn aber die Länder sagen, die Sozialkosten sind für sie zu hoch, dann muss man das Argument akzeptieren. Aber Vorwürfe an Schäuble finde ich nicht in Ordnung.
Heckmann: Vizekanzler Müntefering hat im "Spiegel"-Interview, jetzt im neuen "Spiegel", gesagt, er verhandele über das ganze Thema nicht mehr. Das komme jetzt so ins Kabinett, es handele sich um ein Bundesgesetz, und da könnten die Länder nicht hineinregieren."
Schönbohm: Ja nun, Herr Müntefering müsste wissen, wir hatten schon mal einen Basta-Kanzler, der nicht sehr viel Erfolg hatte. Er soll jetzt nicht ein Basta-Müntefering werden, sondern, so funktioniert Koalition nicht. Vor allen Dingen die Länder werden in vielen Bereichen Dinge dann machen müssen, die sie nicht akzeptieren werden. Dann muss man sehen, wie das Verhältnis der Bundesregierung sich zum Bundesrat entwickelt. Da warne ich davor, mit einer Basta-Politik an diese heranzugehen. Die ist zu schwierig, um zu glauben, sie mit einer Basta-Entscheidung durchzuziehen.
Heckmann: Der Präsident des Diakonischen Werks der katholischen Kirche, Kottnik, hat das ganze Projekt noch mal in Frage gestellt und hat einen maßvollen Umgang mit Geduldeten angemahnt, der von christlicher Nächstenliebe geprägt sein sollte, und er hat gemeint, dass das ernsthafte Bemühen der Ausländer, eine Arbeit zu bekommen, eigentlich ausreichen müsste, um ihnen einen Aufenthaltstitel zu geben. Was ist denn mit denen, die einfach keinen Job bekommen, weil es eben in der Region keinen Job gibt, obwohl sie arbeiten wollen? Haben die einfach Pech gehabt?
Schönbohm: Das ist einer der schwierigen Punkte. Auf der einen Seite sagt die Industrie, wir brauchen eine Zuwanderung in den Arbeitsmarkt, und auf der anderen Seite heißt es, es gibt keinen Weg aus dem Sozialsystem in den Arbeitsmarkt. Da stimmt doch irgendetwas nicht. Es gibt beispielsweise auch bei uns in Brandenburg, wo wir eine Arbeitslosigkeit von rund 15 Prozent haben, Probleme beim Zugang in den Arbeitsmarkt. Aber wir haben eine ganze Menge Geduldete, die hier leben, die zumindest einen wichtigen Teil des Lebensunterhaltes sich erwerben. Das sind Dinge, die man dann bewerten kann, auch wenn man merkt das Bemühen, sich zu integrieren und am Arbeitsprozess teilzuhaben. Da gibt es Möglichkeiten, auch nach der Härtefallregelung dann Ausnahmen zuzulassen. Diese Regelungen bleiben weiterhin bestehen, dass es dann Individualentscheidungen werden.
Heckmann: Zum Streit über das Bleiberecht war das Jörg Schönbohm, stellvertretender Ministerpräsident von Brandenburg und CDU-Innenminister. Herr Schönbohm, danke für das Gespräch.
Schönbohm: Bitte sehr.
(Interview im Deutschlandradio vom 05.03.2007. Moderation: Dirk-Oliver Heckmann)