Verfassungsschutzbericht 2005
15.05.2006 Schönbohm: Bekämpfung von Rechtsextremismus ist weiterhin wichtigste Aufgabe - Zunahme bei Potential
Nr. 078/2006
Die Bekämpfung des Rechtsextremismus in Brandenburg ist weiterhin die größte Herausforderung für die Verfassungsschützer des Landes. Dennoch ist Brandenburg auf dem richtigen Weg. Das sind die Kernaussagen des Brandenburger Verfassungsschutzberichtes 2005, der heute von Innenminister Jörg Schönbohm vorgestellt wurde.
Der harte - ideologisch gefestigte - Kern der Rechtsextremismus in Brandenburg besteht nach Erkenntnissen von Brandenburgs Verfassungsschützern aus 860 Personen, die sich in Organisationen sammeln. Die unorganisierte gewaltbereite Szene dagegen verliert leicht an Mitgliedern (2005: 570; 2000: 600). Dieser Rückgang lässt sich auch am parallelen Rückgang der rechtsextremistischen Gewalttaten ablesen, dennoch nahm das Personenpotential im Bereich Rechtsextremismus – wie auch im Vorjahr - weiter zu. 2005 gab es 1.385 Personen, die rechtsextremistischen Gruppierungen zugerechnet werden mussten, im Vorjahr waren es 1.290.
Schönbohm: „Rechtsextremismus ist nach wie vor die wichtigste Aufgabe, mit der sich der Brandenburger Verfassungsschutz zu beschäftigen hat.“ Die Maßnahmen, die das Land zu seiner Bekämpfung ergriffen habe, zeigten aber Wirkung. „Die richtige Kombination von Repression und Prävention hat in Brandenburg die rechtsextremistische Gewalt zurückgedrängt.“ Im Bereich der politisch motivierten Gewaltstraftaten war 2005 in Brandenburg ein Rückgang zu verzeichnen (2004: 131; 2005: 116). Rechtsextremistische Gewalttaten gingen in Brandenburg von 105 Fällen im Jahr 2004 auf 97 Fälle zurück. „Damit verläuft die aktuelle Entwicklung in Brandenburg gegen den sich abzeichnenden Bundestrend,“ sagte der Minister. Bundesweit ist hingegen für 2005 gegenüber 2004 eine deutliche Zunahme rechtsmotivierter Gewaltdelikte zu erwarten.
Als positiv bewertete der Minister, dass vor allem die unorganisierten Jugendcliquen nicht mehr so viel Zulauf bekommen, wie noch Ende der 90er Jahre. Der Rechtsextremismus unter Brandenburger Jugendlichen sei nicht mehr angesagt, wie auch die Jugendstudien des Instituts für angewandte Familien-, Kindheits- und Jugendforschung an der Universität Potsdam zeigten.
Auch die Bereitschaft der Brandenburger, sich von rechtsextremistischen Parolen beeindrucken zu lassen, ist laut Verfassungsschutz sichtbar gesunken. So wurden rechtsextremistische Propagandadelikte im Vergleich zum Vorjahr (658 Fälle) immer häufiger angezeigt (917 Fälle im Jahr 2005). Auch die Bundestagswahl 2005 zeigte, dass die rechtsextremistische NPD in Brandenburg nicht das Ziel erreichen konnte, das sie sich im Vorfeld gesteckt hatte.
Rechtsextremismus
Bei rechtsextremistischen Vereinen und Kameradschaften ist laut Verfassungsschutz das Mittel des Verbots geeignet, die Sympathisantenszene zu verunsichern und die Trennung der Mitläufer vom harten Kern zu erwirken. Dies haben im Jahr 2005 die Verbote der rechtsextremistischen Kameradschaften ‚Hauptvolk / Sturm 27’ und ‚ANSDAPO’ gezeigt. Die öffentlichen rechtsextremistischen Aktivitäten der ehemaligen Mitglieder als Gruppe seien durch die Verbote weitgehend zum Erliegen gekommen, berichtet der Verfassungsschutz. Damit hätten die Verbote ein deutliches in die Gesellschaft wirkendes Signal gegen den Rechtsextremismus gesetzt.Auffällig ist die auch in Brandenburg vermehrte Aktivität der rechtsextremistischen Musikszene. Im Jahr 2005 waren in Brandenburg 13 rechtsextremistische Bands bekannt, viele davon gründeten sich erst im selben Jahr. „Die Musik rechtsextremistischer Skinheads mit ihren fremdenfeindlichen, antisemitischen, Gewalt und den Nationalsozialismus verherrlichenden Texten hat einen erkennbaren Einfluss auf die politische und gesellschaftliche Orientierung ihrer meist jungen Hörer. Dieser Musikszene gilt deshalb das besondere Augenmerk sowohl des Verfassungsschutzes als auch der Polizei“, erklärte Schönbohm dazu. Gemeinsam gelang es den Sicherheitsbehörden im Jahr 2005, mehrere geplante Konzerte rechtsextremistischer Bands zu verhindern. Dadurch ist der 2005 vielfach festgestellte Anstieg von rechtsextremistischen Konzerten in Brandenburg ausgeblieben. Zudem wurden im vergangenen Jahr allein 50 der bundesweit 89 Indizierungsanträge und -anregungen für rechtsextremistische und/oder Gewalt verherrlichende Tonträger durch den brandenburgischen Staatsschutz gestellt.
Die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit ist zur Zeit auf Potsdam und Rheinsberg gerichtet. „Die rechtsextremistische Szene in der Landeshauptstadt umfasst ca. 150 Personen“, führte die Chefin des Brandenburger Verfassungsschutzes, Winfriede Schreiber, zu dem Thema aus. „Allerdings ist der organisierte Rechtsextremismus in Potsdam relativ schwach. Kameradschaften fassen hier nicht Fuß, parteiliche Strukturen setzen sich nicht dauerhaft fest. Auch die Wahlergebnisse rechtsextremistischer Parteien sind in Potsdam unterdurchschnittlich“, legte Schreiber dar. Lediglich kurzfristige und anlassbezogene Kooperationen von rechtsextremistischen Einzelpersonen mit organisierten Rechtsextremisten, wie etwa anlässlich der Strafprozesse gegen Rechtsextremisten, ließen sich beobachten. Die rechtsextremistische Szene in Rheinsberg, die ähnlich unstrukturiert ist, umfasst nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes ca. 50 Personen. „Die Brandenburgerinnen und Brandenburger reagieren stets und unmissverständlich auf extremistische Gewalt. Sie zeigen Mitgefühl mit den Opfern und ihre Ablehnung für jede Art von Extremismus“, betonte der Minister.
Linksextremismus
Neben ihren eigenen Aktionen beteiligen sich Linksextremisten laut Verfassungsschutz an gesellschaftspolitischen Aktionen und Debatten, die von nichtextremistischen Bürgerinnen und Bürgern getragen werden. Solche Infiltrierungsversuche betrafen den Kampf gegen Rechtsextremismus, die Bewegung gegen die Sozialreformen und die Anti-Globalisierungsbewegung. Zudem werden Aktionen gegen den G8-Gipfel 2007 in Heiligendamm (Mecklenburg-Vorpommern) geplant. Von dem in Parteien organisierten Linksextremismus gehen hingegen in Brandenburg keine Impulse aus. Die Mitgliedschaft der Parteien schrumpft bzw. ist überaltert.
Islamismus
Im Bereich Islamismus hat Brandenburg kein bedeutendes Personenpotential. Wenn auch keine konkreten Anschlagsplanungen bekannt sind, so nimmt der Verfassungsschutz die verbalen Drohungen der internationalen islamistischen Terroristen gegen Deutschland doch sehr ernst. Mit Sorge erfüllt auch den Brandenburger Verfassungsschutz ein neues Täterprofil im Bereich des islamistischen Terrorismus, das sich bei den Anschlägen von Madrid 2004 und London 2005 zeigte. Bei beiden Anschlägen waren die Attentäter sogenannte „home-grown“ Terroristen, also junge Muslime, die in die europäischen Gesellschaften integriert schienen. Nach einer Phase der Radikalisierung von nur wenigen Monaten führten sie die Anschläge selbständig aus, ohne Anbindung an das internationale Terrornetzwerk al-Qaida. „Bei allen Problemen, die Islamisten dem deutschen Staat und der Sicherheit bereiten, muss doch immer wieder betont werden, dass die weit überwiegende Zahl der Muslime in Deutschland und in Brandenburg friedlich und verfassungstreu ist“, sagte Schönbohm, „einen Generalverdacht gegen Muslime darf es niemals geben.“
Mitarbeiter und Etat des Verfassungsschutzes (Zahlen vom 31.12.05)
Am 31.12.2005 waren von 133 Planstellen 127 besetzt. Die Personalkosten beliefen sich auf 6.222.000 Euro. An Sachmitteln standen dem Verfassungsschutz 1.411.000 Euro zur Verfügung.Den Verfassungsschutzbericht 2005 des Landes Brandenburg und weitere Berichte finden Sie unter www.verfassungsschutz.brandenburg.de/cms/detail.php/lbm1.c.337054.de
Download:
- Handout zu den Veröffentlichungen und der Präventionsarbeit des "Verfassungsschutzes durch Aufklärung" (23.8 KB)
- Gesamtbewertende Übersicht - PMK im Land Brandenburg im Jahr 2005 (88.9 KB)
- Mitgliederpotentiale 2005 (mehrere Übersichten) (17.6 KB)
Verantwortlich:
Dorothee Stacke, Pressesprecherin
Ministerium des Innern
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