Interview mit der "Berliner Zeitung" vom 03.06.2005
03.06.2005
"Die Bürger haben das Vertrauen verloren"
Berliner Zeitung: Herr Minister, muss die rot-schwarze Koalition in Potsdam bald ohne Sie auskommen?
Jörg Schönbohm: Nein, diese Koalition hat eine Aufgabe bis 2009. Ich bleibe bis dahin Parteivorsitzender.
Ihr Regierungsamt in Potsdam haben Sie jetzt gar nicht erwähnt. Sie stünden also für ein Amt in Berlin bereit?
Ich gehe von einem Wahlsieg erst aus, wenn ausgezählt ist. Bei den Landtagswahlen in Brandenburg 2004 lagen wir drei Monate vor der Wahl auch weit vor der SPD. Dann sind wir drittstärkste geworden. Deswegen beantworte ich solche Fragen erst, wenn sie sich stellen.
Das ist jedenfalls alles andere als ein Nein und nährt die gerade erst mühsam beruhigte Nachfolge-Diskussion in Ihrer Landespartei.
Was ich tue, mache ich überlegt. Da brauchen Sie sich keine Sorgen machen. Ich bin hier stellvertretender Ministerpräsident und Innenminister. Punkt.
Unter dem Stichwort „Heimatschutz“ haben Sie gerade erweiterte Einsatzmöglichkeiten für die Bundeswehr zur Abwehr terroristischer Gefahren in Deutschland gefordert. Das hört sich nach Verteidigungsminister-Kandidat an.
Ich habe am Mittwoch bei einer Veranstaltung der Arbeitsgruppe Verteidigung der CDU gesprochen. Die war seit Monaten geplant. Diese Position vertrete ich seit Jahren. Ich habe darauf hingewiesen, dass wir zum ersten Mal die Chance haben, das zu tun, weil es jetzt Landesebene keine Innenminister mehr gibt, die von einer rot-grünen Regierung abhängig sind. Und auf Bundesebene wollen wir das bald ändern.
Der Gruppenantrag gegen die militärische Nutzung der Kyritz-Ruppiner Heide scheint im Bundestag zu scheitern. Im Landtagswahlkampf haben auch Sie sich gegen das Bombodrom ausgesprochen. Und im Bundestagswahlkampf?
Im Kommunalwahlkampf 2003 habe ich mich für die militärische Nutzung ausgesprochen. Aber nachdem Verteidigungsminister Struck (SPD) 15 Jahre nach der deutschen Einheit kein Konzept vorlegen kann, wie er das umsetzen will, ist diese Unklarheit den Menschen nicht länger zuzumuten. Deswegen vertritt die brandenburgische CDU jetzt die Meinung, dass die touristische Entwicklung Vorrang haben muss.
Was ist in diesem Punkt von einer unionsgeführten Bundesregierung zu erwarten?
Das weiß ich nicht. Die Position aller Verteidigungsminister war, dass wir diesen Platz brauchen. Aber keiner konnte es durchsetzen. CDU/CSU- und SPD-Bundestagsfraktion stehen für eine militärische Nutzung.
Die Wahlkampf-Linie der SPD zeichnet sich schon ab: Sozial gemäßigte Reformen gegen neoliberalen Sozialabbau. Zieht das?
Wir sagen, Demokraten gegen Bürokraten. Der einzelne Bürger ist ein mündiges Wesen, der vieles besser entscheiden kann, als der Staat. Wir setzen auf Freiheit und Verantwortung und auf Hilfe für jene, die sie wirklich benötigen. Es wird ein anderes Menschenbild, ein anderes Klima entstehen. Was das ausmacht, haben wir nach dem Ende des zweiten Weltkrieges schon einmal erfahren. Ludwig Erhard hat durch seine Politik dafür gesorgt, dass die Menschen wieder angepackt haben.
Trauen Sie Angela Merkel Erhardsche Führungsqualitäten zu?
Frau Merkel hat in ihrer Rede am 1. Oktober 2003 zur neuen sozialen Marktwirtschaft grundlegende Ausführungen gemacht. Die sollte man sich noch einmal durchlesen. Bei dieser Wahl wird ein Projekt beendet: Das Gesellschaftsprojekt Rot-Grün. So wie der Sozialismus gescheitert ist als politische Idee.
Sie setzen auf eine Abwahl, weniger auf die Wahl des besseren Angebotes?
Eine Abwahl durch die Wahl des Besseren. Die Bürger haben doch das Vertrauen verloren. Rot-Grün kann es nicht. Es muss aber auch klar sein, dass es keine schnellen Verbesserungen geben kann. Dazu ist die Lage zu schwierig. Aber binnen zwei Jahren müssen die Bürger merken, dass es vorangeht. Wenn wir in der Union das nicht schaffen, gerät das Vertrauen in unser System in die Krise.
Das hört sich sehr besorgt an.
Ich habe auch große Sorge. Deswegen muss die Union diese Aufgabe schultern.
2002 hatte die Union im Osten große Schwierigkeiten. Erhoffen Sie sich von der ostdeutschen Spitzenkandidatin Merkel Rückenwind?
Natürlich. Hier in Brandenburg wurde Edmund Stoiber ja in ganz besonderer Weise von der SPD diffamiert. Das wird bei Frau Merkel nicht möglich sein.
Die Landes-SPD will wieder stärkste Kraft werden. Halten Sie dagegen?
Das wollen wir mal sehen. Wir hatten bei den letzten Bundestagswahlen 22 Prozent. Diesmal wollen wir deutlich über 25 kommen.
Bei den Landtagswahlen 2004 landeten Sie bei unter 20 Prozent.
Das weiß ich. Aber das ist ja wie Hochwasser. Das war der schlechtmöglichste Zeitpunkt. Da sind wir abgestraft worden für Hartz IV und die Diffamierungskampagne von PDS und DVU wurde belohnt. Die Nummer läuft nicht mehr.
Wer soll Ihr Spitzenkandidat werden?
Das entscheiden wir Anfang Juli.
Die Bundestagsabgeordnete Katharina Reiche gilt doch als gesetzt?
Ich habe nicht die Absicht, öffentlich Vorfestlegungen vorzunehmen.
Kann die vorgezogene Neuwahl zu einer Gefahr für die rot-schwarze Koalition in Brandenburg werden? Die Spannungen nehmen zu.
Nein. Ich nehme auch keine Spannungen wahr. Herr Platzeck ist nur noch einer von drei SPD-Ministerpräsidenten eines Flächenstaates. Er wird auf Bundesebene eine größere Rolle spielen müssen. Ich habe eine gewisse Position als gewähltes Präsidiumsmitglied der CDU, vertrete Positionen, die denen von rot-grün diametral zuwider laufen. Das wissen wir aber von einander. Damit können wir umgehen. Vielleicht wird es atmosphärisch zwischen den Fraktionen schwieriger. Im Kabinett sehe ich keine Probleme.
Das Gespräch führte Andrea Beyerlein.