Staatskanzlei

Sonderkabinett zu Energiesicherheit

veröffentlicht am 13.09.2022

Das brandenburgische Kabinett hat sich heute in einer Sondersitzung mit der Versorgungssicherheit von Wirtschaft und Gesellschaft mit Energie in den kommenden Monaten befasst. Ministerpräsident Dietmar Woidke sagte auf der anschließenden Pressekonferenz in Potsdam: „Es gibt große Unsicherheit und Sorge in Bevölkerung und Wirtschaft. Die Menschen erwarten zu Recht schnelle, pragmatische und wirksame Entscheidungen von Staat und Verwaltung. Die Brandenburger Landesregierung stellt sich dieser Verantwortung.“ Zu der Sondersitzung war der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, per Video zugeschaltet.

Woidke: „Wir müssen den sozialen Frieden sichern und zugleich die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft erhalten. Deshalb wurde bereits gestern mit den Spitzen von Energie- und energieintensiven Unternehmen, Kammern, Verbänden und Gewerkschaften auf dem Brandenburger Energiegipfel beraten, wie wir gemeinsam die Herausforderungen bewältigen können. Ich begrüße, dass voraussichtlich Ende September endlich die von mir bereits seit längerem geforderte Ministerpräsidentenkonferenz mit dem Bund stattfinden wird, denn wir brauchen in der Krise eine gemeinsame Linie. Ich bin davon überzeugt, dass der Bund eine Notlage ausrufen muss, um Unternehmen und Bürgerinnen und Bürgern gezielt zu unterstützen. Derzeit stehen uns dafür keine Mittel zur Verfügung. Die Verantwortung für die dramatische Entwicklung liegt in Moskau, denn Putin setzt Energie als Waffe ein.“

Der stellvertretende Ministerpräsident Michael Stübgen: „Russland führt einen perfiden Energiekrieg gegen Europa. Wir können diese Attacke gegen unsere Gesellschaft abwehren. Dafür müssen wir jetzt zusammenrücken.  Wir müssen Brandenburgs Bevölkerung und Wirtschaft vor Energiemangel und Preisexplosionen schützen, so gut es möglich ist. Ein Rettungsschirm für Wirtschaft und Kommunen soll helfen, notwendige finanzielle Unterstützung zu leisten, damit die kommunale Daseinsvorsorge gewährleistet bleibt und Pleitewellen im Mittelstand verhindert werden. Alleingänge würden jedoch verpuffen. Die Bundesregierung muss den Weg für Notlagemaßnahmen in ganz Deutschland freimachen. Wir können die Probleme jedoch auch nur begrenzt mit Geld übertünchen. Wir müssen das Übel bei der Wurzel packen und das sind die Energiepreise, die durch die Decke schießen. Es muss jetzt alles ideologiefrei für die Senkung der Energiekosten getan werden – was immer es braucht.“

Die stellvertretende Ministerpräsidentin Ursula Nonnemacher: „Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine hat die Energie- und Preiskrise verursacht. Der Bundesregierung ist es gelungen, in wenigen Monaten erfolgreich Maßnahmen zur Stärkung der Unabhängigkeit von russischen Energieimporten umzusetzen. Deutschlands Gasspeicher sind zu über 88 Prozent gefüllt, einen Monat früher als geplant. Kurzfristig müssen klimaschädliche fossile Energien wie Kohle genutzt werden. Notwendige Maßnahmen zum Klimaschutz dürfen aber nicht aufgeschoben werden. Die Nutzung fossiler Energieträger hat uns in die Abhängigkeit und Klimakrise geführt. Sie sind das Problem, nicht die Lösung. Angesichts der Dramatik der Klimakrise, deren Auswirkungen auch in Brandenburg immer stärker zu spüren sind, müssen wir an den beschlossenen Klimazielen festhalten. Aus der Energiekrise helfen nur Energieeffizienz und Erneuerbare Energien. Der Angriffskrieg und die massiven Preissteigerungen führen auch zu einem starken Druck auf unsere Sozialsysteme. Entlastungspakete müssen gezielt Menschen mit wenig Einkommen erreichen. Die Inflation trifft auch soziale Einrichtungen besonders hart. Deshalb brauchen wir eine Absicherung der sozialen und gesundheitlichen Infrastruktur. Der Bund muss die Voraussetzungen für einen Rettungsschirm schaffen.“

Wirtschafts- und Energieminister Jörg Steinbach: „Die Folgen der Pandemie und die Energiepreiskrise aufgrund der russischen Aggression haben in der Summe viele Unternehmerinnen und Unternehmer bereits an den Rand der Belastungsgrenze – oder darüber hinaus – gebracht. Im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten müssen und werden wir alles tun, um sie zu stützen. Dazu ist es wichtig, dass der Bund vorangeht. Es fehlen noch immer die Umsetzungsregeln für die Instrumente zu Hilfen insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen. Wir appellieren an die Bundesregierung, hier zügig Entscheidungen zu treffen, um schnell, einheitlich und übergreifend helfen zu können. Davon profitieren letztlich auch die Bürgerinnen und Bürger, die ihrerseits mit teils immens erhöhten Kosten zu kämpfen haben. Die Europäische Kommission hat mit dem ‚Befristeten Krisenrahmen‘ Voraussetzungen geschaffen, die von der Bundesregierung umfassend genutzt werden müssen.“

Finanzministerin Katrin Lange: „Die Entlastungsmaßnahmen des Bundes haben erhebliche Auswirkungen auf die Haushalte der Länder. Sie lassen sich derzeit zwar nicht abschließend beziffern, weil die Maßnahmen des dritten Paketes einerseits zum Teil noch unkonkret sind und andererseits nach Angaben der Bundesregierung noch nachgebessert werden sollen, insbesondere was Unternehmenshilfen angeht. Gleichwohl werden die Belastungen für den Landeshaushalt für die Jahre 2022 bis 2024 überschlägig knapp 970 Mio. Euro betragen. Weitere Entlastungsmaßnahmen werden auch zusätzliche Finanzierungsbedarfe bei Ländern und Kommunen entstehen lassen. Eine Arbeitsgruppe der Länderfinanzminister, an der auch Brandenburg beteiligt ist, erörtert derzeit gemeinsame Positionen für die weiteren Beratungen mit dem Bund. Dabei wird es sowohl um die Verteilung der Finanzierungsanteile auf Bund, Länder und Gemeinden gehen als auch um jene Handlungsbedarfe, die der Bund bislang nicht oder nicht ausreichend adressiert hat wie zum Beispiel Bahn-Regionalisierungsmittel, Krankenhausfinanzierung oder Flüchtlingskosten. Trotz der derzeit erörterten Entlastungsmaßnahmen rechne ich wie namhafte Wirtschaftsforschungsinstitute   für die nächste Zukunft mit einer weiteren Zuspitzung der wirtschaftlichen Lage, einer Beschleunigung der Inflation, anhaltend hohen Reallohnverlusten und infolgedessen erheblichen Wohlstandseinbußen in Deutschland. Wir haben erst den Anfang der Krise gesehen. Das wird man ganz nüchtern so einschätzen müssen.“

Die Landesregierung unterstrich heute ihre Bereitschaft, ihren Beitrag zur Aufrechterhaltung der Stromversorgung in Deutschland zu leisten. Woidke: “Brandenburg kommt seiner Verantwortung nach und leistet einen erheblichen Teil zur Energiesicherheit Deutschlands.“

So sollen zum 1. Oktober zwei derzeit in Sicherheitsbereitschaft befindliche 500-MW-Blöcke im Braunkohlekraftwerk Jänschwalde wieder in Betrieb genommen werden.

Die Energieversorgung erfolgt auch durch ein hohes Tempo beim Ausbau der Erneuerbaren Energien, wobei Brandenburg ohnehin schon bundesweit in führender Position ist. Im ersten Halbjahr 2022 sind nochmals 38 Windkraftanlagen hinzugekommen, so dass bereits fast 4.000 Windkraftanlagen (Gesamtleistung 8.067 Megawatt) installiert sind. Auch bei der Photovoltaik kann Brandenburg einen hohen Ausbaustand verzeichnen (Gesamtleistung 4.076 Megawatt bis Ende 2020).

Nach Auffassung der Landesregierung muss der Ausbau jedoch forciert werden. Dies gilt insbesondere für den Netzausbau, denn noch viel zu häufig müssen die Windkraftanlagen abgeschaltet werden. Dies sorgt für zusätzliche Kosten für die Stromkunden.

Woidke: „Die Erneuerbaren sind Klimaschutz und Energieunabhängigkeit zugleich. Die Unabhängigkeit sorgt für Wertschöpfung bei uns im Land und günstigere Energiepreise. Energieunabhängigkeit ist ein Stück Freiheit und stärkt unsere Demokratie.“

Im Zusammenhang mit der PCK-Raffinerie in Schwedt erneuerte Woidke seine Forderung an den Bund, seiner Verantwortung gegenüber dem Industriestandort in der Uckermark gerecht zu werden. Dazu gehörten eine Arbeitsplatzgarantie für die Beschäftigten bis Ende 2024 sowie die Versorgungssicherheit in allen Teilen Deutschlands. Die Ölversorgung der PCK für einen sicheren und wirtschaftlichen Betrieb müsse gesichert werden. Außerdem erwarte Brandenburg feste Garantien zur Unterstützung der wirtschaftlichen Transformation in der Region. Dafür sei ein Transformationsfonds des Bundes in Höhe von 1,5 Milliarden Euro über mindestens 15 Jahre erforderlich. Woidke hatte bereits mehrfach angekündigt, dass sich Brandenburg mit 150 Millionen Euro über zehn Jahre beteiligen wolle.

Pressemitteilung als PDF (application/pdf 210.9 KB)