Staatskanzlei

Flüchtlinge: Enger Schulterschluss zwischen Landesregierung, Landkreisen und kreisfreien Städten für Menschen in Not – Konkrete Verabredungen getroffen

veröffentlicht am 23.01.2015

Bei der Aufnahme und Unterbringung von Flüchtlingen in Brandenburg gibt es auf den politischen Ebenen des Landes einen engen Schulterschluss. Das ist das zentrale Ergebnis des dreistündigen Auftaktgesprächs auf Einladung von Ministerpräsident Dietmar Woidke heute in der Potsdamer Staatskanzlei, an dem neben Ministerinnen und Ministern die Spitzen der Landkreise und der kreisfreien Städte teilgenommen hatten. Themen waren die Situation in der Erstaufnah-meeinrichtung, das Sofortprogramm der Landesregierung bis hin zu Fragen der Finanzierung, die Absicherung der Gesundheitsversorgung sowie der Bildungsangebote mit den Bereichen Sprachmittlung, Kitabetreuung und Schulpflicht. Woidke kündigte ein neuerliches Arbeitstreffen mit den kommunalen Spitzenvertretern in spätestens neun bis 12 Monaten an.

Woidke dankte allen, die daran mitgewirkt haben, dass im vergangenen Jahr mehr als 6.000 Menschen in Not in Brandenburg aufgenommen werden konnten. Der Ministerpräsident würdigte, dass im Land „ein Klima der Offenheit gegenüber Flüchtlingen und die Bereitschaft zu helfen herrschen. Deshalb freue ich mich, für den 27. Februar zu einem Spitzentreffen mit Vertretern der Zivilgesellschaft einzuladen. Dabei soll mit Abgeordneten sowie Vertretern aus Kirchen, Wohlfahrtsverbänden, Flüchtlingsorganisationen und weiteren Verbänden über gute Erfahrungen bei der Flüchtlingsunterbringung und die breite Einbeziehung möglichst vieler Menschen beraten werden.“

Der Ministerpräsident bekräftigte, dass aus dem mit dem Bund ausgehandelten Maßnahmenpaket baldmöglichst 22,5 Millionen Euro an die Landkreise und kreisfreie Städte fließen werden. Das Geld kann etwa für die Unterbringung, für Versorgungs- und Betreuungsleistungen oder für Sprachförderungs- und Integrationsangebote insbesondere für Klein- und Schulkinder verwendet werden. Auch der Einsatz zur Unterstützung ehrenamtlicher Strukturen ist möglich.

Wie Woidke weiter mitteilte, bleibt es beim bisherigen Verteilungsverfahren im Land. Eine Weiterleitung erfolgt nur in die Kommunen, die freie Plätze anzeigen. Denn es gehe um einen menschlichen Umgang mit dem Problem. Ein so genanntes hartes Zuweisungsverfahren konnte nach Angaben Woidkes mit gemeinsamer Anstrengung vermieden werden. Zugleich werden in einer Arbeitsgruppe weitere Möglichkeiten einer noch reibungsloseren Verteilung der Asylbewerber ausgelotet. Außerdem sollten die Asylbewerber aus sicheren Herkunftsländern  perspektivisch nicht mehr über das Land verteilt werden, sondern  bis zu ihrer Rückkehr in der Erstaufnahmeeinrichtung bleiben. Allerdings setzt diese Praxis ein zügigeres Agieren des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge voraus.

Innenminister Karl-Heinz Schröter kündigte einen weiteren Ausbau der Kapazitäten der Erstaufnahmeeinrichtung des Landes an. Geplant sei eine Erweiterung auf 3.000 Plätze bis Ende 2015 in Eisenhüttenstadt und den Außenstellen, sagte Schröter. Derzeit verfügt die Einrichtung über insgesamt 1.950 Plätze. „Dieser Ausbau ist angesichts anhaltend hohen Asylbewerberzahlen unabdingbar“, unterstrich Schröter. Im vergangenen Jahr nahm Brandenburg über 6.300 neue Asylbewerber auf (2013: 3.300). „Es geht darum, die Flüchtlinge vernünftig unterzubringen, zu versorgen, psychologisch zu betreuen und ihnen die ersten Schritte in Deutschland zu erleichtern“, erklärte der Minister. Der Ausbau könne jedoch nicht allein am Standort Eisenhüttenstadt erfolgen. Schon jetzt nutzt die Erstaufnahmeeinrichtung Außenstellen in Frankfurt (Oder) und in Ferch. Weitere Außenstellen beispielsweise in Frankfurt (Oder) seien in Vorbereitung.


In diesem Zusammenhang hob Schröter vor allem die beabsichtigte Nutzung der ehemaligen Lausitz-Kaserne in Doberlug-Kirchhain hervor, wo bis zu 800 Plätze geschaffen werden könnten. „Ich lege besonderen Wert auf die enge Einbeziehung und Information von Anwohnern und Kommunen“, betonte Schröter. Nur so könne möglichen Vorbehalten und Ängsten wirksam begegnet werden. Daher würden vor Inbetriebnahme neuer Standorte grundsätzlich eine Anwohnerversammlung sowie ein „Tag der offenen Tür“ durchgeführt werden, sagte der Minister zu.

Finanzminister Christian Görke, der das ILB-Darlehensprogramm „Brandenburg Kredit für Kommunen – Flüchtlingseinrichtungen“ vorstellte, betonte, dass dies auch für Städte und Gemeinden mit Haushaltssicherungskonzept gilt. Görke weiter: „Wir stellen unseren Kommunen und Landkreisen an finanzieller Hilfe und Unterstützung zur Verfügung, was möglich ist. Neben der Regelfinanzierung für die Flüchtlingsbetreuung vor Ort und in der Erstaufnahmeeinrichtung, die sich mit ihrer Höhe bundesweit sehen lassen kann, soll das Kreditprogramm der InvestitionsBank des Landes Brandenburg den Kommunen ein flexibles Instrument bereit stellen, um den spezifischen Erfordernissen in der jeweiligen Gemeinde gerecht werden zu können. Von Investitionen in die Unterkünfte über die Ausstattung bis hin zur Verbesserung von Bildungsangeboten reicht dieser Katalog, den wir jetzt unmittelbar und sofort anbieten.

Grundsätzlich gilt aber: Die Aufnahme von Flüchtlingen ist nicht nur eine Aufgabe der Länder und Gemeinden. Der Bund ist weiterhin in der Pflicht. Das betrifft neben der zügigen Bereitstellung von benötigten Bundesimmobilien vor allem die Mitfinanzierung der Kosten für die Integration und Sprachvermittlung durch den Bund. Kurzum: Die Erwartung der Kommunalvertreter war heute klar, dass die Unterstützung des Bundes aus dem Asylkompromiss angesichts der Entwicklung nicht das Ende der Fahnenstange sein kann.“

Finanzminister Görke sagte den Kommunalvertretern vorbehaltlich der Zustimmung des Parlaments zu, einen neuen Verbilligungstatbestand zur Überlassung landeseigener Grundstücke bei der Unterbringung von Asylbewerbern und Flüchtlingen in das bevorstehende Haushaltsgesetz aufzunehmen. Ziel sei auch, die Mietfreiheit rückwirkend ab 1. Januar 2015 zu gewähren. Diese soll auch für landeseigene und ehemals militärisch genutzte Flächen in BBG-Verwaltung gelten.

Woidke berichtete zudem von der Verabredung, dass künftig mehr Geld für Sprachunterricht zur Verfügung gestellt werden soll. „Ob in Kitas, in Schulen oder in Erwachsenenkursen – Land und Kommen werden die Anstrengungen verstärken, um die Sprachbarrieren möglichst schnell abzubauen.“ Woidke teilte weiter mit, dass angesichts steigender Zahlen unbegleitet reisender minderjähriger Flüchtlinge die Suche nach neuen Einrichtungen verstärkt wird. „Wir hoffen, dass es uns gelingt, im Einvernehmen mit Jugendämtern und Trägern eine zuverlässige und gute Lösung für Menschen anzubieten, die häufig die härtesten Schicksalsschläge zu meistern hatten.“

In Brandenburgs Kommunen leben etwa 2.600 Kinder und Jugendliche im Alter von null bis 18 Jahren aus Flüchtlingsfamilien, davon sind etwa 1.700 schulpflichtig. Einige von ihnen gehen in Kitas oder werden in Eltern-Kind-Gruppen begleitet. Bildungs- und Jugendminister Günter Baaske: „Diese Bildungs- und Begegnungsangebote für Kinder und ihre Eltern sind fachlich besonders geeignet, da sie Familienbildung, Kindertagesbetreuung und soziale Begegnung vereinen. Ich freue mich, wenn es den Kommunen gelingt, möglichst viele Flüchtlingsfamilien in diesen Gruppen zu betreuen, um ihnen den Zugang zu unserer Kultur zu erleichtern.“ Baaske betonte zugleich: „Mir ist bewusst, dass die Kommunen, Kitas und Schulen sehr stark gefordert sind. Ich unterstütze sie dabei gerne. Und ich freue mich, dass viele Jugendliche, Männer und Frauen ehrenamtlich an den Kitas und Schulen helfen. Dafür mein Dank!“

Als wichtigen Beitrag des Landes erachtet er den vorbereitenden Unterricht in der  Erstaufnahmeeinrichtung in Eisenhüttenstadt. Dafür stellt das Bildungsministerium dort fünf Lehrerstellen zur Verfügung. An den täglich 4-stündigen Kursen für Sprache, Kunst, Musik und Sachunterricht nehmen durchschnittlich 72 Kinder in 6 Gruppen teil. Baaske: „Diese freiwilligen Kurse sind ausgebucht. An den künftigen Außenstellen wird es diese Angebote auch geben. Dadurch erhalten Flüchtlingskinder schon vor dem Schulbeginn in den Kommunen erste Sprach- und Kulturkenntnisse. Das ist entscheidend für eine bestmögliche Integration in die kommunalen Schulen, denn Sprache ist der Schlüssel zur Integration.“

Die Schulpflicht setzt mit Ankunft in den Kommunen ein. Der Unterricht ist gewährleistet. Für die speziellen Sprachkurse der etwa 1.700 Kinder und Jugendlichen wendete das Bildungsministerium im vergangenen Jahr etwa 3,6 Millionen Euro auf. Bisher sind die Mittel für den Sprachunterricht und den regulären Unterricht ausreichend. Baaske: „Dennoch haben wir das Landesschulamt aufgefordert, mögliche Engpässe frühzeitig zu melden. Dann werden befristete Arbeitsverträge mit Fachkräften geschlossen, die den Sprachunterricht übernehmen können.“ Dieser erfolgt nach Möglichkeit durch speziell ausgebildete Lehrkräfte. Dazu gibt es seit August 2014 für zunächst 53 Lehrkräfte Fortbildungsreihen; weitere 59 folgen bis zum Frühjahr 2016.

Gesundheitsministerin Diana Golze verwies darauf, dass Asylsuchende Anspruch auf eine erste gesundheitliche Untersuchung haben. Golze: „Diese Untersuchungen sind für die Menschen, die bei uns Zuflucht suchen, unter Umständen lebensnotwendig. Krieg, Vertreibung und Flucht hinterlassen auch gesundheitlich ihre Spuren. Hier wollen und müssen wir helfen. Damit alle in Eisenhüttenstadt Ankommenden noch schneller und ohne Umwege auf übertragbare Krankheiten untersucht werden können, werden wir direkt auf dem Gelände der Aufnahmeeinrichtung eine Röntgenanlage installieren. Und für den Fall, dass übertragbare Erkrankungen diagnostiziert werden, wird eine Station zur Behandlung von Infektionskrankheiten am Krankenhaus Eisenhüttenstadt hergerichtet, um die Betroffenen medizinisch zu behandeln und eine Verbreitung von Infektionen vermeiden zu können. Allerdings ist es mit einer Erstuntersuchung oft nicht getan. Brandenburg setzt sich dafür ein, dass Asylsuchende künftig unbürokratischer als bisher eine medizinische Behandlung bekommen. So streben wir beispielsweise die Ausstattung der Asylsuchenden mit Chipkarten an. Das würde Flüchtlingen auch im Land Brandenburg helfen und die kommunalen Sozialbehörden entlasten.“‎