Staatskanzlei

Kabinett verabschiedet Gesetz zur Gerichtsneuordnung -
Schöneburg: „Kein Gerichtsstandort wird aufgegeben - Justiz bleibt in der Fläche präsent - Zeit der Planungsunsicherheit ist endlich vorüber“

Zu den Ergebnissen der heutigen Kabinettsitzung teilt Regierungssprecher Thomas Braune mit:

veröffentlicht am 09.08.2011

Das Kabinett hat heute den Entwurf eines Gesetzes verabschiedet, durch das die Land-, Amts- und Arbeitsgerichtsbezirke bis 2013 neu geordnet werden sollen. Justizminister Dr. Volkmar Schöneburg sagte: „Kein Gerichtsstandort wird aufgegeben. Die Justiz bleibt in der Fläche präsent. Brandenburg behält seine bürgernahe Justiz, und das ist ein großer Erfolg für die Bürgerinnen und Bürger des Landes. Die Zusammenarbeit von Justiz und Polizei wird effektiver. Brandenburg schafft damit zukunftsfähige Gerichts- und Justizstrukturen.“

Im Jahr 2005, als die Diskussion um die Gerichtsstruktur begann, hatte sich noch eine ganz andere Entwicklung abgezeichnet: Nach ersten Überlegungen sollten sieben Amts- und ein Arbeitsgericht aufgelöst werden. Von der Schließung bedroht waren nicht nur das Arbeitsgericht Senftenberg und die kleinsten Amtsgerichte in Guben und Zehdenick, sondern auch die mittelgroßen Gerichte in Bad Freienwalde, Schwedt (Oder), Eisenhüttenstadt und sogar Zossen mit neun Richterstellen. Auch das Amtsgericht in Rathenow, das gerade erst für etwa sieben Millionen Euro renoviert worden war, stand auf der Streichliste. Gegen Ende der vorangegangenen Legislatur, nach jahrelanger Kontroverse, sollten immerhin noch vier Gerichte aufgelöst werden: die Amtsgerichte Zossen, Eisenhüttenstadt und Guben sowie das Arbeitsgericht Senftenberg.

Dabei wurden die Gründe, die für eine Schließung herangezogen wurden, in aller Regel nicht aus justizoriginären Interessen und Notwendigkeiten entwickelt. Vielmehr sollten zunächst Gerichte allein deshalb geschlossen werden, um schablonenhaft die Idee „ein Landkreis/ein Amtsgericht“ umzusetzen. Bei 14 Landkreisen und vier kreisfreien Städten sollte deshalb die Zahl der Amtsgerichte von 25 um sieben Gerichte auf 18 reduziert werden. Bei diesen von Finanzexperten forcierten Bestrebungen wurde von 2005 bis 2009 völlig außer acht gelassen, dass bereits mit der großen Justizreform des Jahres 1993 eine zukunftsfähige Gerichtsstruktur für Brandenburg geschaffen worden war. Von den 42 Kreisgerichten, die es zu DDR-Zeiten auf der Fläche des späteren Landes Brandenburg gab, blieben 25 Amtsgerichte übrig.

Als Folge der ergebnislosen Kontroverse um eine Justizreform konnten ab 2005 fast keine Investitionen in Gerichte mehr getätigt werden, obwohl dies oft dringend erforderlich gewesen wäre. Die Planungsunsicherheit war sogar noch weitreichender. Solange der Fortbestand des gut funktionierenden Amtsgerichts Zossen nicht gesichert war und erwogen wurde, es auf die Nachbargerichte in Königs Wusterhausen, das etwas größer ist, und das Amtsgericht Luckenwalde, das kleiner ist, aufzuteilen, konnten auch diese Gerichte nicht modernisiert werden. Denn der aus der Auflösung des Amtsgerichts Zossen resultierende Personalzuwachs hätte unmittelbare Folgen für die Bau- und Sanierungskosten an diesen beiden Gerichten gehabt.

Der seit 2005 auf der Justiz lastende Planungs- und Baustopp hatte zugleich negative Auswirkungen für die Mitarbeiter. Mit all den Nachteilen für die private Lebensplanung lebten sie, solange die Zukunft der Gerichte im Schwebezustand gehalten wurde, jahrelang im Ungewissen.

Schöneburg: „Die Zeit der Planungsunsicherheit ist endlich vorüber. Sobald nun auch der Landtag dem Gesetzentwurf zustimmt, endet eine lange Phase des Stillstands. Ein zentrales Projekt des Koalitionsvertrages ist verwirklichungsreif.“

Das Gerichtsneuordnungsgesetz basiert auf Zukunftskonzepten für alle Gerichte, die in der vorangegangenen Legislatur geschlossen werden sollten:

Das Amtsgericht Zossen behält als mittelgroßes Gericht seine Eigenständigkeit. Die Zahl der Gerichtseingesessenen (Einwohnzahl im Amtsgerichtsbezirk) ist stabil und rechtfertigt in jedem Fall den Fortbestand des Gerichts. Unter sozialen Aspekten ist zu betonen, dass etwa 50 Personen ihren Arbeitsplatz in Zossen behalten. Ferner gibt es eine rechtsextremistische Szene im Landkreis Teltow-Fläming, die unter anderem in Zossen im Hinblick auf Personalentwicklung und Aktivität einen Schwerpunkt bildet. Als wichtiges Symbol des Rechtsstaats sollte das Amtsgericht in Zossen auch vor diesem Hintergrund erhalten bleiben.

Schöneburg: „Der Rückzug der Justiz aus dieser Region wäre ein falsches politisches Signal.“

Erhalten bleibt auch das Amtsgericht Eisenhüttenstadt und wird nicht dem Amtsgericht Frankfurt (Oder) zugeschlagen. Das Amtsgericht Eisenhüttenstadt ist Teil einer gut funktionierenden Justiz vor allem im Bereich der Zusammenarbeit mit den Ausländerbehörden und der Bearbeitung der grenzüberschreitenden Kriminalität. Für das Amtsgericht besteht kein akuter Investitionsbedarf. Durch eine Unterbringung der Sozialen Dienste der Justiz und des Grundbuchamts in dem Gebäudekomplex werden Mietkosten gemindert.

Das Amtsgericht Guben verliert zwar seine Eigenständigkeit, bleibt jedoch als Zweigstelle des Amtsgerichts Cottbus erhalten. Investitionen in das Gerichtsgebäude sind nicht erforderlich.

Schöneburg: „Die Zweigstelle zeigt Bürgernähe. Gerade in Guben, wo ein Gefühl der Unsicherheit derzeit viele Menschen bedrückt, wirkt das Gericht wie ein Vertrauensanker. Die Grenzkriminalität erfordert kurze Wege und schnelle Entscheidungsstrukturen. Die Präsenz der Justiz in Guben garantiert weiterhin eine reibungslose Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden.“

In Senftenberg wird auch künftig ein Arbeitsgericht präsent sein, und zwar als auswärtige Kammer des Arbeitsgerichts Cottbus. Geplant ist, die Kammer im Amtsgericht Senftenberg unterzubringen, wenn das Gebäude umgebaut und saniert wird. Das bisherige Einzugsgebiet des Arbeitsgerichts Senftenberg, das sich auf die Landkreise Elbe-Elster und Oberspreewald-Lausitz erstreckt, ist so groß, dass die Bewahrung des Standorts aus Gründen der erforderlichen Rechtsgewährleistung notwendig ist. Ansonsten müssten die Rechtsuchenden zum Arbeitsgericht in das weit entfernt liegende Cottbus fahren, was für viele schwer zumutbar wäre. Das gilt besonders in arbeitsrechtlichen Streitigkeiten, in denen die Parteien oft nicht einmal Geld für eine anwaltliche Vertretung aufwenden können.

Das Gerichtsneuordnungsgesetz legt seinen Schwerpunkt auf die Garantie einer bürgernahen Justiz. Zugleich wird das Ministerium der Justiz im Zuge der Justizmodernisierung stets in der Lage sein, auf neue Tendenzen organisatorisch zu reagieren. Maßgeblich dafür werden primär justizoriginäre Kriterien sein. Dazu zählen Eingangs- und Fallzahlen sowie Bürgernähe. Darüber hinaus werden landesentwicklungspolitische (insbesondere struktur- und regionalpolitische) Gesichtspunkte, die Verfügbarkeit geeigneter Liegenschaften sowie historische und traditionsbedingte Gesichtspunkte zu bedenken sein.

Schöneburg: „Die Justiz hat die vielfältigen Entwicklungen im Land Brandenburg genau im Blick. Es ist nicht auszuschließen, dass irgendwann an einem Gericht die Anzahl der Verfahren so stark abnimmt, dass die Arbeit dort nicht mehr effektiv und sinnvoll organisiert werden kann. Dann wird das Ministerium der Justiz verantwortungsvoll und angemessen reagieren, und zwar nach den Erfordernissen justizoriginärer Kriterien.“

Nicht realisiert wird ein zentrales Grundbuchamt. Da sich ein Erfolg bei der Entwicklung der elektronisch verfügbaren Grundakte noch nicht abzeichnet, bleibt die papiergebundene Grundakte auf absehbare Zeit alternativlos. Da außerdem bei Grundbuchänderungen Grundakten beizuziehen sind, müssten Rechtsanwälte und Notare stets das zentrale Grundbuchamt aufsuchen. Ebenso unzumutbar wäre der Arbeitsplatzwechsel, der mit der Einrichtung eines zentralen Grundbuchamtes für eine große Anzahl von Rechtspflegern verbunden wäre. Für sie ergäben sich nicht nur erhebliche Fahrtkosten, sondern auch familiäre und soziale Belastungen. Unabhängig davon müssten für die Errichtung eines zentralen Grundbuchamts mit Lagerkapazitäten für alle papiergebundenen Grundakten Investitionen getätigt werden, die wirtschaftlich nicht darzustellen sind. Brandenburg wird die technische Entwicklung der datengestützten Grundakte allerdings weiterhin begleiten und deshalb auch künftig an entsprechenden Bund-Länder-Arbeitsgruppen teilnehmen.

Ein weiterer Leitgedanke des Gerichtsneuordnungsgesetzes ist die Effektivitätssteigerung in der Zusammenarbeit der beiden Strafermittlungsorganisationen Polizei und Staatsanwaltschaft.

In der Südhälfte des Landes wird dieses Ziel dadurch verwirklicht, dass der Amtsgerichtsbezirk Königs Wusterhausen vom Landgerichtsbezirk Potsdam in den Landgerichtsbezirk Cottbus wechselt. So entstehen flächengleiche Justiz- und Polizeibezirke. Außerdem gibt es erhebliche Verbesserungen für die Strafrechtsabteilung des Amtsgerichts Cottbus. Sie ist derzeit in einem sanierungsbedürftigen Gebäude untergebracht.

In der Nordhälfte des Landes überwiegen gegenüber dem Prinzip der Flächenkongruenz besondere Herausforderungen in den Bereichen Justiz und Polizei. Deshalb wird im Landkreis Uckermark die Polizei der Polizeidirektion Frankfurt (Oder) unterstellt, während Staatsanwaltschaft und Gerichte dem Landgerichtsbezirk Neuruppin zugeordnet werden.

Auf diese Weise werden vier zukunftsstabile Landgerichtsbezirke von etwa gleicher Bedeutung für die Justiz im Land Brandenburg geschaffen. Wäre hingegen der im Landkreis Uckermark liegende Amtsgerichtsbezirk Prenzlau dem Landgerichtsbezirk Frankfurt (Oder) angegliedert worden, hätten erhebliche Nachteile für den Landgerichtsbezirk Neuruppin gedroht. Er hätte ohne die Uckermark fortan nur noch aus den drei Landkreisen Prignitz, Ostprignitz-Ruppin und Oberhavel bestanden, was die Zukunftsfähigkeit des Landgerichts Neuruppin und der Staatsanwaltschaft stark gefährdet hätte.

Aus dieser zwischen Polizei und Justiz abweichenden Zuordnung des Landkreises Uckermark ergeben sich keine Nachteile für die Arbeit der Gerichte.

Dass im Bereich der Uckermark die Polizei aus Frankfurt (Oder) gesteuert wird, die Staatsanwaltschaft hingegen aus Neuruppin, führt auch bei den beiden Strafermittlungsbehörden zu keinen Nachteilen gegenüber dem Status quo. Für den größeren, zum Amtsgerichtsbezirk Prenzlau gehörenden Westteil, der bereits zum Landgerichtsbezirk Neuruppin gehörte, ergibt sich überhaupt keine Veränderung. Künftig müssen sich lediglich die Richter und Staatsanwälte, die im grenznahen Amtsgerichtsbezirk Schwedt (Oder) tätig sind, nicht mehr nach Frankfurt (Oder), sondern nach Neuruppin orientieren.